Julia Festival Band 0103
den Fernseher einschaltete, um sich abzulenken. Normalerweise hatte sie weder Zeit noch Lust dazu, sich die platten Frühstücksshows anzusehen, und auch diesmal war sie schon nach kürzester Zeit so genervt, dass sie wieder abschaltete. Sie konnte das nichtssagende Geschwätz und die gekünstelte Fröhlichkeit der Moderatoren einfach nicht mehr ertragen.
Traurig betrachtete sie den Weihnachtsbaum und die vielen Geschenke, die darunter lagen. Finns Verwandte hatten ihnen Päckchen und Pakete aus Irland geschickt, und die Mitarbeiter der Agentur hatten ihnen etliche Kleinigkeiten mitgegeben. Natürlich gab es auch Geschenke, die für Finn allein bestimmt waren – von den Models.
Aber für sie, Amber, hatte Finn nichts unter den Baum gelegt.
Sie musste an die Skier denken, die sie für Finn gekauft hatte. Liebevoll in Weihnachtspapier eingewickelt, lagen sie noch bei Ursula, da Finn allein an der Form sofort erkannt hätte, was sich darin verbarg, und erst zum Essen würde Ursula sie mitbringen. Außerdem hatte Amber Finn noch Kaschmirsocken, seine Lieblingsschokolade und ausgefallene Boxershorts aus scharlachroter Seide gekauft. Wie aufregend hatte sie es sich ausgemalt, wenn er sie anprobieren und sie ihm diese wieder abstreifen würde …
Amber schluckte tapfer ihre Tränen runter und schaltete das Radio ein. Ein Weihnachtsgottesdienst wurde übertragen, und die Lieder machten sie sentimental, weckten aber auch wieder ihre Lebensgeister. Sie ging ins Bad, duschte sich, schlüpfte in ihr honigfarbenes Kleid und machte sich zurecht. Dann zog sie sich ihren warmen Samtmantel mit dem Kunstpelzbesatz an und machte sich auf den Weg zur Kirche.
Sie musste sich den Kragen hochschlagen, denn draußen war es bitterkalt, der Himmel war grau verhangen, und vereinzelt fielen erste Flocken. Der Gottesdienst war feierlich und ging Amber zu Herzen, sie musste die ganze Zeit an ihre Mutter denken, die sie heute ganz besonders vermisste.
Als sie eine Stunde später aus der Kirche kam, hatte es so stark geschneit, dass alles weiß war. Langsam ging sie nach Hause und musste feststellen, dass Finn noch nicht da war. Aber der Gottesdienst hatte ihr geholfen, die Dinge wieder im richtigen Licht zu sehen. Hätte sie Finn wirklich aufrichtig lieben und achten können, wenn er zwei hilflose Frauen am Weihnachtstag in ihrer häuslichen Katastrophe alleingelassen hätte?
Finn hatte nur getan, was jeder andere Freund auch getan hätte, und die Art, wie sie ihn dafür kritisiert hatte, war völlig unangebracht gewesen. Das würde sie ihm nachher auch sagen.
Amber drehte die Heizung auf, überprüfte ihr Make-up und ging in die Küche. Sie schob den Truthahn in den Ofen und putzte das Gemüse. Sie hatte gerade den Rosenkohl aufgesetzt, als es an der Tür klingelte. Amber trocknete sich schnell die Hände. Ihre Schwester war aber früh dran! Wahrscheinlich hatte sie Probleme mit den sperrigen Skiern. Amber eilte zur Tür, um Ursula zu helfen.
Aber es war nicht Ursula.
Finn stand im Flur – kaum zu erkennen hinter dem größten Blumenstrauß, den Amber je gesehen hatte. Finn schien alles gekauft zu haben, was die Treibhäuser hergaben: lachsfarbene Rosen, weiße Lilien und Freesien, blaue Kornblumen, lila Pfingstrosen, rote Gerbera und gelbe Narzissen. Sprachlos betrachtete Amber die Blütenpracht und atmete tief den herrlichen Duft ein.
Liebevoll lächelte Finn ihr zu, und Amber wagte nicht, etwas zu sagen. Sie hatte Angst, sie würde schon beim ersten Wort in Tränen ausbrechen.
„Finn?“, brachte sie schließlich mühsam hervor.
Wortlos trat er ein, legte die Blumen auf den Esstisch und ging dann noch einmal zurück, um die Tür zu schließen. Dann nahm er Amber zärtlich in die Arme und schmiegte sein Gesicht in ihr duftendes Haar.
„Für wen hast du all diese Blumen gekauft?“, fragte sie zaghaft.
Es dauerte eine ganze Weile, bis Finn antwortete: „Sie sind für dich, das weißt du doch ganz genau, Sweetheart, und sollen ein kleines Zeichen dafür sein, wie sehr ich dich liebe.“
Amber atmete erleichtert auf, schloss die Augen und drückte Finn ganz fest an sich, während sie seinen Rücken streichelte. Sie schwieg bewusst, um das Gefühl der Geborgenheit, das sie im Moment so intensiv erlebte, voll auszukosten.
Schließlich löste Finn sanft die Umarmung, legte die Hand unter Ambers Kinn und zwang sie, ihn anzusehen. Amber war völlig verwirrt, als sie sah, dass Verzweiflung und nicht Zärtlichkeit aus seinen Augen
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