JULIA FESTIVAL Band 76
weiß.“
„Nichts anderes versuche ich Ihnen zu erklären. Sie wollen mich, weil ich anders bin. Ich soll Ihnen helfen zu vergessen. Und deshalb wollen Sie mit mir ins Bett gehen.“
Rebecca erlitt einen mittleren Schock. Wie hatte er das erraten? Oder war das so offensichtlich gewesen?
„Ich will nicht …“, begann sie stammelnd und hoffte nur, dass er im Kerzenlicht nicht sah, dass ihre Wangen hochrot geworden waren. Sie wandte sich ab und wollte gehen, aber er hielt sie fest.
„Sie haben sich doch nicht im Ernst eingebildet, dass Sie mir etwas vormachen können?“, fragte er leise, und seine Stimme klang heiser.
Sie gab einen kleinen Laut von sich, aus dem zugleich Scham und Verlegenheit klangen.
„Glauben Sie denn, ich wüsste nicht, was Sie sich die ganze Zeit in Gedanken ausmalen, Rebecca?“
Er lachte sie aus! Vor Scham wäre sie am liebsten im Boden versunken oder besser gleich gestorben.
„Entschuldigen Sie“, flüsterte sie und wollte sich abwenden. Tränen stiegen ihr in die Augen, und eine Träne rollte ihr über die Wange. „Lassen Sie mich los. Ich werde Sie nie wieder belästigen.“
Er gab ihren Arm frei, aber bevor sie noch einen Schritt von ihm fort machen konnte, legte er ihr die Hände auf die Schultern und zog sie an sich. „Fangen Sie jetzt nur nicht auch noch an zu heulen! Ich habe Ihnen doch gesagt, dass ich ein elender Egoist bin. Warum glauben Sie mir nicht? Ich will doch Ihre Gefühle nicht verletzen. Sie sollen nur verstehen, dass ich nicht so bin, wie Sie glauben. Ich bin kein ‚guter Mensch‘. Vergessen Sie mich und suchen Sie sich einen zweiten Wayne und schenken Sie ihm ein halbes Dutzend Kinder.“
Seine Stimme war sanft und warm und sie beruhigte sich wieder ein wenig. Aber dann strich er ihr übers Haar und das war zu viel. Sie fing an zu schluchzen. Ihr ganzer Körper schüttelte sich. „Tut mir leid“, stammelte sie. „Sonst bin ich eigentlich nicht so empfindlich. Das kommt wahrscheinlich von dem Feuer und … und …“
„Ich weiß. Weinen Sie nur, wenn es Ihnen guttut.“
Sie wollte sich beherrschen, aber sie kam nicht gegen den Tränenstrom an. Er hatte tröstend die Arme um sie gelegt und hielt sie fest. Sie weinte um alles, was sie bei dem Brand verloren hatte, um die Angst der Kinder und ihre eigene Angst, überfordert zu sein. Die Verantwortung wuchs ihr über den Kopf, aber es war niemand da, der sie mit ihr hätte teilen können.
Als das Schluchzen in Schniefen überging, wurde Rebecca langsam bewusst, dass ihr Mund an Austins nackter Brust lag. Seine Haut war warm und feucht von ihren Tränen und roch schwach nach herbem Moschus. Er ließ die Hände über ihren Rücken wandern, sein Kinn lag auf ihrem Haar, und er sprach beruhigend auf sie ein.
„Wahrscheinlich halten Sie mich für völlig hirnlos“, sagte sie. Sie wusste, dass sie sich von ihm lösen sollte, aber sie brachte nicht die Kraft dazu auf.
„Nein. Ich halte Sie für einen ganz besonderen Menschen. Ich wollte Ihnen nur klarmachen, dass ich mich nicht zum Märchenprinzen eigne.“
„Ich will keinen Märchenprinzen.“
Er stand ganz still und sie hob den Kopf. „Sie haben recht, Austin. Ich …“ Sie suchte nach den richtigen Worten. „Sie gefallen mir, und das auch, weil Sie ganz anders sind als Wayne. Aber ich verkläre Sie deshalb nicht zum romantischen Helden. Dafür kenne ich Sie nicht gut genug.“ Sie schluckte. Er hatte sich entschuldigt, aber sie war es gewesen, die diese ganze Situation überhaupt erst herbeigeführt hatte. „Ich wollte Sie nicht in Verlegenheit bringen. Wenn ich geahnt hätte, dass meine Gedanken so offensichtlich sind, hätte ich an etwas anderes gedacht.“
In seinen Augen stand ein Ausdruck, den sie nicht deuten konnte. Er lächelte ein wenig schief. „Ich habe mich nicht beschwert“, meinte er. „Aber Sie würden es bereuen, und das will ich vor allem mir nicht antun.“
„Und wenn ich verspreche, dass ich nichts bereuen würde?“, entfuhr es ihr.
„Rebecca!“
Ihr Mut überraschte sie selbst. Aber diese Chance bekam sie wahrscheinlich nie wieder.
In gewisser Weise war er genau das, was sie gesucht hatte: Er war nicht an einer Beziehung interessiert, er war erfahren, und sie würde sich nie einen Mann wie ihn fürs Leben aussuchen. Sie war mit ihren neunundzwanzig Jahren noch Jungfrau und brauchte einen Mann, der diesen Zustand änderte. Denn Frauen, die in ihrem Alter noch nie mit einem Mann geschlafen hatten, wurden offenbar
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