JULIA FESTIVAL Band 97
Autounfall hat oft schwere innere Verletzungen zur Folge“, sagte er widerstrebend. „Aber Luis hatte keine inneren Blutungen.“
„Gott sei Dank!“
„Ja. Er braucht nur ein paar Wochen Ruhe, und dann ist er wieder der Alte.“
„Glaubst du das wirklich?“
Christian nickte. „Ja.“
„Und was wäre gewesen, wenn …“, begann sie ängstlich.
„Natürlich können wir uns mit solchen Fragen quälen“, meinte er leise. „Was wäre gewesen, wenn er nicht so schnell gefahren wäre? Wenn er eine andere Straße genommen hätte? Aber man kann nichts mehr daran ändern. Wir können ihm jetzt nur dabei helfen, wieder gesund zu werden. Stimmt’s?“
Olivia schniefte. „Wir?“
„Allerdings.“ Er blickte zur Cafeteria. „Wollen wir uns nicht wieder setzen?“
„Nicht da“, entgegnete sie beinah flehend. „Ich … Vielleicht sollten wir wieder nach oben gehen. Vielleicht ist Luis inzwischen zurück in seinem Zimmer.“
„Vielleicht auch nicht. Komm schon, Olivia. Wir müssen miteinander reden. Also können wir es genauso gut jetzt tun.“ Und nach einer kleinen Pause fügte er hinzu: „Es gibt hier bestimmt Aufenthaltsräume für Besucher. Sehen wir uns doch einfach mal um.“
Sie zögerte einen Moment. „Na gut“, lenkte sie schließlich ein. „Du kannst mir erzählen, wie der Unfall sich ereignet hat und warum man sich mit dir in Verbindung gesetzt hat.“
Natürlich, dachte er grimmig, das ist für sie das Wichtigste. Was Monate vor dem Unfall passiert war und wie sie in Zukunft damit umgehen sollten, stand überhaupt nicht zur Debatte. Olivia redete nur mit ihm, weil sie keine andere Wahl hatte.
Diesmal nahmen sie die Treppe, denn Olivia hatte offenbar nicht das Bedürfnis, in einer engen Kabine eingeschlossen zu sein, in der es nach Desinfektionsmitteln roch. Wahrscheinlich wäre sie am liebsten an die frische Luft gegangen, doch es regnete immer noch.
Im zweiten Stock fanden sie am anderen Ende des Flurs einen Aufenthaltsraum. Erleichtert stellte Christian fest, dass er leer war. Olivia hingegen wirkte nicht besonders begeistert, als sie den Blick über die leeren Stühle und Sofas schweifen ließ.
In einer Ecke stand eine Kaffeemaschine. Er holte ihnen zwei Becher und nahm dann Olivia gegenüber auf einem Sofa Platz.
Ihm fiel auf, dass Olivia es vermied, ihn anzusehen. Aber sie nickte ihm kurz zu, bevor sie einen Schluck von ihrem Kaffee trank. Ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, war sie in Gedanken versunken, und Christian kam es so vor, als wäre es nicht nur ihr Stiefsohn, der sie beschäftigte.
Danach konnte er sie jetzt allerdings nicht fragen. „Okay“, begann Christian energisch, „als Erstes müssen wir beschließen, wo Luis sich nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus erholen soll.“
Endlich konzentrierte sie sich auf ihn und blickte ihn aus ihren grauen, von dichten Wimpern gesäumten Augen an. „Wo er sich erholen soll?“, wiederholte sie. „Ist das nicht ein bisschen voreilig? Wir wissen schließlich noch gar nicht, wie lange er im Krankenhaus bleiben muss.“
„Nicht lange.“ Auch er trank einen Schluck Kaffee, der zwar nicht besonders stark, aber durchaus genießbar war. „Soweit ich weiß, kommen Patienten, die nicht operiert werden müssen, ziemlich schnell wieder nach Hause, weil sie sich dort besser erholen.“
„Nach Hause? Luis’ Apartment ist in Berkeley. Hier kann sich niemand um ihn kümmern.“
„Ich weiß.“ Christian stellte seinen Becher ab und betrachtete Olivia forschend. „Wie wäre es, wenn du ihn in Bal Harbour pflegen würdest? Immerhin war es auch sein Zuhause, bevor er an die Westküste gegangen ist. Ich weiß natürlich, dass du Miami verlassen hast, aber für die Zeit kannst du doch wieder hier wohnen.“
3. KAPITEL
Bestürzt öffnete Olivia die Lippen. Natürlich hatte sie das kommen sehen. Trotzdem war sie schockiert, als Christian es aussprach. Er erwartete von ihr, dass sie sich um Luis kümmerte und wie in den letzten fünfzehn Jahren die Mutterrolle spielte. Doch das war unmöglich. Sie konnte nicht wieder in Bal Harbour leben. Nicht wenn Christian nur wenige Meilen entfernt war und jederzeit auftauchen konnte.
Und was war mit Luis? Sie hatte gehofft, das Baby zu bekommen, bevor sie ihn wiedersehen würde. Sicher, diese Annahme war ohnehin sehr unwahrscheinlich gewesen, aber seit er studierte, war er viel unabhängiger. Und da sie vorgehabt hatte, einfach für ein paar Monate unterzutauchen, war ihr die Zeit
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