JULIA FESTIVAL Band 97
unbehaglich.
Als hätte er Mitleid mit ihr, mischte Christian sich ein. „Ich glaube, Helen will damit sagen, dass diese Umgebung sich positiv auf seine Genesung auswirkt“, bemerkte er. „Mich freut es jedenfalls zu hören, dass er unbedingt wieder auf die Beine kommen will.“
Das Blut stieg Olivia in den Kopf. Das klingt ja gerade so, als würde ich mich nicht freuen, dachte sie verärgert. Doch gleich danach beruhigte sie sich wieder, schließlich hatte Christian Helen nur moralisch unterstützen wollen.
Aber auch das passte ihr nicht, und sobald Helen sich entschuldigt und den Raum verlassen hatte, atmete Olivia tief durch und sagte: „Ich hoffe, Susannah hat dir alles gegeben, was du brauchst. Wie es scheint, hast du zumindest eine meiner Mitarbeiterinnen erobert.“
Christian verzog ironisch den Mund. „Von wegen!“
„Vielleicht habe ich mich auch geirrt“, lenkte Olivia ein, merkte allerdings selbst, wie wenig überzeugend sie klang. „Hat sie dich über Luis’ Fortschritte informiert? Oder wart ihr zu sehr damit beschäftigt, über alte Zeiten zu plaudern?“
Amüsiert kniff er die dunklen Augen zusammen. „Pass auf, Olivia, sonst denke ich wirklich noch, du wärst eifersüchtig.“
Vor Schreck stieß sie einen entsetzten Laut aus. „Du solltest dich schämen, so etwas zu mir zu sagen!“
„Würdest du mir bitte mal erklären, was du damit meinst?“
„Muss ich dir wirklich …?“
„Schon gut. Wir sind nun also wieder bei dem, was in Tonys Todesnacht passiert ist.“ Er schüttelte den Kopf. „Ich wünschte, du würdest nicht mehr daran denken.“
„Ich auch!“, rief sie und schluckte, als sie den verblüfften Ausdruck in seinem Gesicht sah.
„Was meinst du damit?“ Neugierig blickte Christian sie an.
„Vergiss es.“
Schnell wandte sie sich ab, denn ihr war klar, dass sie wieder einmal zu voreilig gewesen war. Wenn sie nicht aufpasste, würde er noch erraten, dass sie irgendetwas beschäftigte.
Plötzlich spürte sie seinen Atem im Nacken, ein Zeichen dafür, dass er dicht hinter ihr stand. Sie musste ihre ganze Willenskraft aufbieten, um nicht beiseite zu treten. „Du bist diejenige, die offenbar ein Problem hat, querida “, sagte er leise. „Und ich frage mich, warum.“
„Ich …“ Olivia wusste nicht, was sie erwidern sollte, und verspürte den verrückten Impuls, sich die Hände auf den Bauch zu legen, um sich durch die Bewegungen ihres Kindes beruhigen zu lassen. Aber das konnte sie in seiner Gegenwart natürlich nicht tun. „Vermutlich liegt es daran, dass ich Tony noch nie zuvor … betrogen habe“, fügte sie hinzu, nachdem sie tief durchgeatmet hatte.
„Eigentlich hast du ihn gar nicht betrogen“, erklärte er rau und umfasste ihre Schultern. „Verdammt, Olivia, hör auf, dich wegen etwas zu zermürben, das wir nicht mehr ändern können! Tony ist tot. Und er war es schon, als … du weißt schon, wann. Du hast dir absolut nichts vorzuwerfen.“
Wirklich nicht?
Weil seine Berührung viel zu real, viel zu verlockend war, erschauderte Olivia. In diesem Moment hätte sie ihm sagen müssen, was sie von ihm hielt, weil er das Geschehene so lässig abtat. Stattdessen stellte sie sich vor, wie schön es wäre, sich an ihn zu schmiegen. Tony hatte sehr oft davon gesprochen, wie verlässlich Christian war. Leider konnte sie es sich nicht erlauben, sich an ihn zu lehnen.
„Und wem soll ich dann die Schuld geben?“ Widerstrebend löste sie sich von ihm. „Dir?“
Prompt verhärteten sich seine Züge wieder. „Wenn es dir da bei hilft, darüber hinwegzukommen, warum nicht?“, erwiderte er resigniert. „Jedenfalls bin ich nicht hier, um mit dir zu streiten, mi amor. Ich wollte nur Luis sehen.“
Noch einmal atmete sie tief durch. „Okay.“ Ganz bewusst ignorierte sie seine Koseworte. Sobald sie sich wieder unter Kontrolle hatte, fragte sie mit einem gekünstelten Lächeln: „Und, wie lange willst du bleiben?“
5. KAPITEL
Als Christian aus der Stadt zurückkehrte, saß Luis auf der Veranda.
Nachdem er den offenen Jeep, den er bei einem Händler in San Gimeno gemietet hatte, geparkt hatte, nahm er die Tüte mit seinen Einkäufen – T-Shirts und Shorts – aus dem Wagen und ging über den Rasen in Richtung Veranda.
Da Luis inzwischen viel Zeit draußen verbrachte, war er längst nicht mehr so blass wie nach dem Unfall. Außerdem wirkte er viel fröhlicher, als würde er endlich Licht am Ende des Tunnels sehen.
„Hallo“, begrüßte er ihn,
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