JULIA FESTIVAL Band 98
das Geschirr abzuspülen begann.
Stephanie zwickte sich verstohlen in den Arm, um sich zu überzeugen, dass sie nicht träumte. Es war schier unfassbar, dass er erneut im Haushalt half – ohne Aufforderung, ohne Gemurre, einfach von sich aus.
Offensichtlich spiegelte sich Verwunderung auf ihrem Gesicht, denn er fragte: „Was ist denn?“
„Sie müssen das wirklich nicht tun.“
„Es macht mir wirklich nichts aus.“
„Zufällig weiß ich aus Erfahrung, dass die meisten Männer nicht von Natur aus so nützlich in der Küche sind. Wer hat Sie also trainiert?“
Er stellte die Teller in den Geschirrspüler. „Ich war eine Zeit lang verheiratet, aber mein Training, wie Sie es nennen, rührt hauptsächlich daher, dass ich von einer ledigen Mutter erzogen wurde. Sie hat viel gearbeitet und kam abends völlig erledigt nach Hause. Also habe ich ihr geholfen, so gut ich konnte.“
„Sie machen mir Hoffnung.“
„Inwiefern?“
„Sie scheinen ein dufter Typ zu sein. Erfolgreich, gebildet, kein Serienkiller – zumindest nicht, soweit ich weiß. Auch Sie sind ohne Vater aufgewachsen. Also wird aus meinen Jungs vielleicht auch was Anständiges.“
Er lächelte. „Mit Sicherheit. Sie sind eine großartige Mutter.“
„Ich bemühe mich.“
„Sehr erfolgreich.“
Das Kompliment machte sie verlegen. Sie musste sich räuspern, bevor sie fragen konnte: „Was ist aus Ihrer Ehe geworden?“
Er stellte die Gläser in den Geschirrspüler. „Tina ist vor zwei Jahren gestorben.“
„Das tut mir leid“, murmelte sie automatisch. Sie schätzte Nash auf Anfang dreißig und nahm an, dass seine Frau in etwa demselben Alter gewesen war. Was mochte eine so junge Frau getötet haben. Krebs? Ein betrunkener Autofahrer?
„Was hat Sie nach Glenwood verschlagen?“, fragte er. „Oder sind Sie eine Ureinwohnerin?“
Der abrupte Themenwechsel beendete ihre Überlegungen. „Zufall.“
Nash wusch das Schwammtuch aus und begann, die Arbeitsplatte abzuwischen.
Sie musste sich zwingen, ihn nicht vor Verblüffung mit offenem Mund anzustarren und stattdessen den Geschirrspüler einzuschalten. „Wir sind ständig umgezogen. Marty hat sich immer wieder wundervolle neue Lebensräume einfallen lassen.“
Nicht die ganze Wahrheit, dachte sie traurig. Es war vielmehr die beschönigte Version ihrer Ehe, die sie fast jedem auftischte, vor allem ihren Kindern.
„Wir haben acht Monate im Wald gelebt und fast ein Jahr auf einer Ranch gearbeitet. Einen Sommer haben wir auf einem Fischerboot verbracht und einen Winter in einem Leuchtturm.“
Er lehnte sich an den Schrank und verschränkte die Arme vor der Brust. „Mit den Kindern?“
„Es war eine großartige Erfahrung für sie.“ Sie bemühte sich, enthusiastisch zu klingen. „Sie haben wundervolle Erinnerungen.“ Dafür hatte sie gesorgt. Was immer sie auch für ihren verstorbenen Mann empfinden mochte, Brad und die Zwillinge sollten ihres Vaters gern und voller Liebe gedenken.
„Ich habe Welten kennengelernt, von deren Existenz ich keine Ahnung hatte.“ Und sie wäre liebend gern ignorant geblieben. „Ich habe Brad die dritte Klasse hindurch zu Hause unterrichtet, was gut ging. Er ist sehr klug. Aber Marty und ich haben uns wegen der Sozialisierung gesorgt und beschlossen, uns fest niederzulassen.“
Eigentlich war es nicht ganz so gelaufen. Marty hatte weiterziehen wollen, aber sie hatte auf einem ordentlichen Wohnsitz bestanden und ihm gedroht, ihn notfalls zu verlassen. In dem Winter in dem gottverdammten Leuchtturm hatte Adam über vierzig Grad Fieber bekommen. Mitten in einem heftigen Sturm war es unmöglich gewesen, das Festland und einen Arzt zu erreichen. Sechsunddreißig Stunden lang hatte sie um das Leben ihres Sohnes gebangt und sich geschworen, nicht mehr so zu leben.
„Zufällig an dem Tag, als wir in Glenwood ankamen, erfuhren wir von einer Erbschaft. Wir verliebten uns auf Anhieb in das Städtchen und dieses Haus und hatten genügend Geld, um es zu kaufen. Es war die perfekte Gelegenheit, ein Zuhause und ein Geschäft zu gründen.“
Nash blickte sich in der modernisierten Küche um. „Sie haben gute Arbeit geleistet.“
„Danke.“
Sie verriet ihm lieber nicht, dass eine Hypothek auf dem alten viktorianischen Haus lastete. Ebenso wenig erwähnte sie die diesbezüglichen Streitereien mit Marty. Das Geld hätte für ein normales Haus gereicht, aber das war ihm zu langweilig gewesen. Da die Erbschaft von seiner Seite der Familie stammte, war sie
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