JULIA FESTIVAL Band 98
nach all den Jahren wiedersieht?“
Kari sah sie überrascht an. „Ich, nun … ich bin mir nicht sicher, was das mit dem Bankraub zu tun hat?“
„Ich dachte, das wäre offensichtlich. Dein ehemaliger Verlobter hat sein Leben für dich riskiert. Er hat dich mit seinem Körper vor dem Kugelhagel geschützt. Erzähl mir nicht, dass du das nicht romantisch findest. Ein besseres Willkommensgeschenk hätte er dir gar nicht machen können.“
Kari riskierte einen Blick zu Gage hinüber, aber er sah ebenso verwirrt aus, wie sie sich fühlte. Worauf wollte Daisy eigentlich hinaus? Da Kari nicht wünschte, dass ihre Bemerkungen aus dem Kontext gerissen wurden und am nächsten Tag schwarz auf weiß in der Zeitung standen, dachte sie sorgfältig nach, bevor sie sprach.
„Zuerst mal“, sagte sie betont langsam, „waren Gage und ich nie verlobt, sondern nur befreundet. Zweitens bin ich nicht zurück. Zumindest nicht für immer. Ich werde nur den Sommer hier verbringen.“
„Hm.“ Daisy öffnete ihren Notizblock und kritzelte ein paar Zeilen auf die erste Seite. „Gage, was hast du gedacht, als du in die Bank gingst?“
„Dass ich besser den Rat meiner Mutter befolgt hätte und Ingenieur geworden wäre.“
Kari lächelte und spürte, wie sie sich entspannte. Gage war es gelungen, der Situation die Spannung zu nehmen. Doch bevor sie ihren neu gefundenen Frieden genießen konnte, brach Daisy in lautes Gelächter aus, warf ihren Kugelschreiber auf den Tisch und umfasste Gages Arm.
„Du bist wirklich unbezahlbar“, meinte sie und strahlte. „Ich habe deinen Humor schon immer bewundert.“
Der Ausdruck auf Daisys Gesicht verriet, dass es weitere Dinge an Gage gab, die ihre Beachtung gefunden hatten, aber Kari wollte nicht darüber nachdenken. Sie versuchte, das Paar, das ihr am Tisch gegenübersaß, einfach zu ignorieren, doch Daisy hatte offensichtlich nicht vor, ihr die Ruhe zu gönnen. Sie wandte sich jetzt wieder Kari zu und sah sie mit freundlicher Besorgnis an.
„Es ist ganz gut, dass du nicht für immer bleibst. Du und Gage, ihr wart mal ein schönes Paar, aber es gibt eine uralte Weisheit, die sagt, dass alte Flammen beim zweiten Mal nie so hell brennen. Irgendwann erlöschen sie.“
Kari lächelte gezwungen. „Danke, dass du dir so viele Gedanken um mein Wohlergehen machst.“
Als Antwort lächelte Daisy sie nur strahlend an, aber Kari war das Aufblitzen in den Augen der Journalistin nicht entgangen. Lass die Finger von Gage, lautete die Warnung, er ist mein Territorium. Als ob Kari daran interessiert gewesen wäre, etwas mit Gage anzufangen!
Typisch Kleinstadt, dachte Kari grimmig. Jeder kannte jeden, und jeder glaubte, seine Nase in die Angelegenheiten der anderen stecken zu können.
Daisy fuhr fort, mit Gage zu flirten, und er gab sich weiterhin Mühe, ihre Annäherungsversuche zu ignorieren. Obwohl sie sich in dieser Situation schrecklich unbehaglich fühlte, hätte Kari doch allzu gern gewusst, was für eine Art von Beziehung die beiden tatsächlich hatten. Sie nahm sich fest vor, Gage bei passender Gelegenheit danach zu fragen. In der Zwischenzeit war es wohl das Beste, Daisy aus dem Weg zu gehen.
Großstadtmenschen nehmen im Allgemeinen an, dass Einwohner einer Kleinstadt nichts erleben, dachte sie, als sie schließlich die Redaktion verließ. Doch diese Menschen irrten sich. Und zwar gewaltig.
„Du verwöhnst mich, Mom“, meinte Gage einige Abende später, als er den Esstisch im Haus seiner Mutter abräumte.
Edie Reynolds, eine attraktive, dunkelhaarige Frau Ende fünfzig, lächelte. „Ich weiß nicht, ob man es verwöhnen nennen kann, wenn ich ein Mal in der Woche für dich koche, Gage. Außerdem möchte ich sichergehen, dass du wenigstens hin und wieder eine ausgewogene Mahlzeit zu dir nimmst.“
Er begann, die Geschirrspülmaschine einzuräumen. „Ich bin ein wenig zu alt, um jeden Abend Lust auf Pizza zu haben“, zog er sie auf. „Letzte Woche hatte ich sogar Gemüse zu meinem Steak.“
„Gut für dich.“ Seine Mutter lehnte sich im Stuhl zurück und nahm ihr Glas Wein in die Hand. „Ich bin immer noch böse auf dich. Was hast du dir dabei gedacht, mitten in einen Bankraub hineinzuplatzen und dein Leben einfach aufs Spiel zu setzen?“ Sie hob abwehrend eine Hand. „Sag mir jetzt nicht, dass du dir gar nichts dabei gedacht hast. Das habe ich nämlich bereits selbst vermutet.“
„Ich habe nur meine Arbeit getan. Bürger waren in Gefahr, und ich musste sie
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