JULIA FESTIVAL Band 98
meinst“, gestand sie mit einem Lächeln. „Ich nahm immer an, dass du auf langes Haar stehst.“
Er lehnte sich in den Stuhl zurück. „Eigentlich bin ich flexibel. Wenn es gut aussieht, gefällt mir kurzes Haar auch.“
Er fuhr fort, sie zu betrachten, und nahm auch die kleinsten Veränderungen in ihrem Gesicht wahr.
„Was denkst du?“, fragte sie.
Er lächelte. Er dachte daran, wie gern er jetzt mit ihr ins Bett gegangen wäre. Es hatte mal eine Zeit gegeben, in der er sie stundenlang geküsst hatte, aber da sie damals noch Jungfrau gewesen war, hatte er bis zur Hochzeit warten wollen. Obwohl es ihm damals sehr schwergefallen war, sich zurückzuhalten. Jetzt hätte er nur allzu gern gewusst, was die Männer, die es bisher in ihrem Leben gab, ihr beigebracht hatten.
Natürlich konnte er ihr das nicht sagen. Es gab Umstände, da musste man eben zur Notlüge greifen.
„Ich habe mich gerade gefragt, welche Veränderungen du am Haus deiner Großmutter planst.“
Kari sah Gage perplex an. Sie hatte viele Dinge erwartet, aber nicht das. In seinem Blick hatte solch ein unverhülltes Verlangen gelegen, dass sie sofort an den Kuss vom Vorabend gedacht hatte. Doch offensichtlich hatte sie da etwas falsch gedeutet. Was sie für Leidenschaft gehalten hatte, war nur das Interesse an Tapeten und Farben gewesen. Kenne sich einer mit den Männern aus!
„Ich denke immer noch darüber nach“, erklärte sie. „Ich habe das Haus durch einen Service ein Mal wöchentlich putzen und lüften lassen, aber trotzdem ist es verwohnt und altmodisch. Ich könnte das ganze Haus renovieren und modernisieren, aber das macht keinen Sinn. Dazu habe ich weder genug Geld noch genügend Zeit. Ich werde also Prioritäten setzen müssen.“
Er nickte verständnisvoll.
Du meine Güte, er sieht immer noch so gut aus wie früher, dachte sie, wenn nicht noch besser. Und die Freude, ihn zu sehen, war auch nicht weniger geworden. Sie fragte sich, ob sich das jemals ändern würde. Wäre er am Ende dieses Sommers immer noch nur ihr Nachbar oder vielleicht schon mehr? Allein bei dem Gedanken begann ihr Herz schneller zu schlagen, doch bevor sie ihre Frage beantworten konnte, stürmte Daisy in den Konferenzraum. Vom tiefen Ausschnitt ihrer Bluse bis hin zu ihren vollen roten Lippen war sie ein lebendig gewordenes Pin-up-Girl. Neben Daisy kam Kari sich wie eine Bohnenstange vor.
„Danke, dass ihr gekommen seid“, eröffnete Daisy das Gespräch, nachdem sie die Tür geschlossen hatte. „Ich schreibe einen Fortsetzungsartikel über den Bankraub und dachte, es wäre interessant, wenn ich euch beide interviewen würde. Ich hoffe, es macht euch nichts aus.“
Kari schüttelte den Kopf und versuchte zu ignorieren, dass Daisy sich so nahe neben Gage gesetzt hatte, dass sie seinen Arm berührte, und ihn dabei anlächelte, als ob sie weit mehr als nur Bekannte wären.
Doch das konnte nicht sein. Gage war nicht der Typ Mann, der andere küsste, wenn er mit einer Frau liiert war. Gage und Daisy waren vielleicht mal ein Paar gewesen, und die Anziehung zwischen den beiden war vielleicht noch nicht vollständig verschwunden. Aber irgendwie gefiel Kari diese Erklärung auch nicht.
Daisy legte ihren Notizblock auf den Tisch, öffnete ihn aber nicht, sondern lehnte sich zu Kari hinüber. „Ist das nicht toll? Ich meine, so ein Bankraub genau hier in PL.“
Kari blinzelte verständnislos. „PL?“
„Possum Landing. Sonst passiert hier doch nie etwas.“ Sie lächelte Gage an. „Zumindest nicht in der Öffentlichkeit. Ich fand das Ganze unglaublich aufregend. Und wie Gage sich dann wagemutig in die Höhle des Löwen begeben hat. Das war faszinierend. Und sehr mutig.“
Er ließ ein genervtes Murmeln hören.
Dann wandte Daisy sich wieder Kari zu. „So, du bist also zurück. Nach all den Jahren in New York. Wie war es dort?“
„Interessant“, erwiderte Kari vorsichtig und war nicht sicher, was das mit dem Bankraub zu tun haben sollte. „Anders als hier.“
„Ist es nicht überall so?“, bemerkte Daisy mit einem Lachen. „Auch ich habe einige Zeit in der Großstadt gelebt, aber ich muss dir sagen, dass ich im Grunde meines Herzens immer ein Kleinstadtmädchen geblieben bin. PL ist ein wundervoller Ort zum Leben. Hier gibt es alles, was ich mir je gewünscht habe.“
Man spürte, dass sie ihre Worte ernst meinte, und ihr Blick ruhte einige Momente auf Gage, bevor sie wieder zu Kari hinübersah.
„Was ist das für ein Gefühl, wenn man Gage
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