JULIA FESTIVAL EXTRA Band 04
verlegen. Ihr war gar nicht bewusst gewesen, dass sie längst ganz allein dastand. Suchend blickte sie sich um. Die übrigen Teilnehmer der Bustour waren mit dem Reiseführer in einen Pfad eingebogen, der von blaugrünen Farnen gesäumt war.
„Sollen wir uns anschließen, oder …?“
„Ja“, entschied Nicole rasch. In der Gruppe würde sie sich sicherer fühlen und hoffentlich ausreichend von Matteo King abgelenkt werden.
Sie beeilte sich, zu den anderen aufzuschließen, und Matteo blieb an ihrer Seite. Zum ersten Mal wurde ihr richtig bewusst, wie groß er wirklich war. Obwohl sie für eine Frau eher überdurchschnittlich groß war, waren ihre Augen gerade auf einer Höhe mit seiner Schulter. Die breite Krempe ihres Hutes gewährte ihr somit einen gewissen Schutz, sodass Matteo ihr nicht direkt ins Gesicht blicken konnte, wenn sie nicht bewusst zu ihm aufschaute. Das gab ihr Zeit, sich wieder etwas zu fassen.
„Und wie läuft es für Sie?“, erkundigte sich Matteo.
Nicole erinnerte sich sofort an seine Skepsis, dass sie es vermutlich nicht lange allein mit seiner Großmutter auf dem Schloss aushalten würde. „Bestens“, antwortete sie.
„Sie fühlen sich noch nicht überfordert?“
„Durch was?“
„Durch die Masse an Informationen, die Sie zu einer stimmigen Geschichte formen müssen.“
„Es ist zweifellos eine große Story … in jeder Hinsicht. Aber sie ist keineswegs überwältigend in dem von Ihnen angedeuteten Sinn. Denn sie hat eine ihr eigene Struktur.“
„Was für jedes Leben gilt“, bemerkte er trocken. „Ich vermute, auch Ihres besitzt eine gewisse Logik.“
„Ja, das stimmt vermutlich. Obwohl ich es in diesem Licht noch gar nicht betrachtet habe.“
„Vielleicht ziehen Sie ein eher zufälliges Schema vor?“
„Das glaube ich nicht.“
„Aber Sie sind offensichtlich bereit, sich an neue Erfahrungen zu wagen, trotz augenscheinlicher Nachteile. So haben Sie sich verpflichtet, ein halbes Jahr hier in Port Douglas zu arbeiten, obwohl das Klima nicht zuträglich für Sie sein kann.“
Er stichelte schon wieder gegen sie, wie er es in seinem Büro getan hatte. Anscheinend wollte er unbedingt von ihr das Eingeständnis hören, dass sie mit der Übernahme dieses Projekts einen Fehler begangen habe. Aber warum?
„Ich finde das Klima hier wundervoll“, versicherte sie ihm voller Genugtuung. „Es ist immer warm … ich hasse die Kälte.“
„Und Sie leiden nicht unter der tropischen Hitze?“
„Manchmal, wenn ich mitten am Tag im Freien unterwegs bin“, räumte sie ein.
„Es ist bestimmt besonders schlimm, wenn man wie Sie einen so hellen Teint hat, den man durch entsprechende Kleidung schützen muss.“
„Daran bin ich mein ganzes Leben gewohnt. Es macht mir nichts aus.“
„Nun, im Moment brauchen Sie Ihren Hut aber nicht mehr. Wir sind hier im Schatten, und ich unterhalte mich nicht so gern mit der Krempe eines Strohhutes.“
Es reizte sie, sich seinem Wunsch zu widersetzen. Andererseits traute sie ihm zu, dass er in dem Fall selber Hand anlegen würde, so wie er ihr in seinem Büro den Hut auf den Kopf gesetzt hatte. Nervös, wie sie war, war es sicher klüger, einem derart vertraulichen Kontakt aus dem Weg zu gehen. Außerdem sorgte das Laubdach des Regenwaldes hier wirklich für wohltuenden Schatten, sodass es unsinnig gewesen wäre, den Hut aufzubehalten. Deshalb gab Nicole klein bei und nahm ihn ab.
„Na, sehen Sie! Fühlt sich das nicht viel besser an?“
Sie blickte argwöhnisch hinauf in Matteos spöttisch blitzende Augen und hatte das beunruhigende Gefühl, dass es ihm großen Spaß machen würde, sie ganz zu entkleiden. Täuschte sie sich, oder fühlte er sich etwa genauso erotisch von ihr angezogen wie sie sich von ihm? Ein atemberaubender Gedanke!
Unwillkürlich versuchte Nicole, Zeit zu gewinnen, indem sie sich jetzt der Reisegruppe anschloss und sich ganz auf die botanischen Erläuterungen des Reiseführers konzentrierte. Etwas verspätet kam ihr in den Sinn, dass es sicher ratsam war, sich einige Notizen zu machen und nach lohnenswerten Fotomotiven Ausschau zu halten. Entschlossen, sich von Matteo King nicht von ihrer Arbeit abhalten zu lassen, kramte sie in ihrer Schultertasche nach Notizblock und Kugelschreiber und ließ dabei ihren Hut fallen.
Sofort hatte Matteo ihn aufgehoben. „Ich werde ihn für Sie tragen.“
Sie errötete, denn ihr war klar, dass er ihn ihr bei passender Gelegenheit bestimmt wieder aufsetzen und ihr dabei
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