JULIA GOLD Band 32
…“
„Und was meinst du, was der Botschafter tun wird? Es ist mein Kind. Und als Vater habe ich Rechte. Nicht einmal die amerikanische Regierung wird das bestreiten.“
„Man wird nicht zulassen, dass du mir mein Kind wegnimmst.“
„Natürlich nicht. Ich habe auch nicht die Absicht, dich und den Jungen zu trennen. Du kannst ihn, sooft du willst, besuchen, aber Ben bleibt in Tiva im Palast.“
„Ohne mich?“
„Er ist jung. Er wird sich einleben“, erwiderte er scharf. Sie hatte ihm drei Jahre des Lebens seines Kindes gestohlen. Sollte sie doch jetzt leiden.
„Es wird ihm das Herz brechen.“
„Herzen heilen. Wunden heilen. Ich habe es selbst erlebt.“
„Und trotzdem willst du ihm das antun?“
„Es steht dir nicht zu, mir Vorhaltungen zu machen. Du wolltest mich gar nicht an seinem Leben teilhaben lassen. Du wolltest ihn für dich allein haben. In ein paar Jahren wird Zwar sein Zuhause sein und mein Volk sein Volk. Ben wird dieses aufregende Leben lieben, und er wird gesegnet sein mit Reichtum und Macht.“
„Du kannst dir seine Zuneigung nicht erkaufen!“
Er zuckte mit den Schultern und genoss es, sie leiden zu sehen. Es geschah ihr nur recht.
„Ich will mit dem Botschafter sprechen“, forderte sie. „Jetzt.“
„Tut mir leid. Das Telefon an Bord funktioniert nicht.“
„Das stimmt nicht. Du hast vorhin einige Telefonate geführt.“
„Das war vorhin. Jetzt ist jetzt.“
„Kahlil, du hast kein Recht dazu.“
„O doch, ich habe jedes Recht!“
Seine donnernde Stimme weckte Ben. Bryn versuchte, ihren Sohn wieder in den Schlaf zu wiegen, doch der Junge hob schlaftrunken den Kopf und sah sich um.
„Sind wir schon da?“, fragte er gähnend.
„Nein, noch nicht“, antwortete sie leise und drückte einen Kuss auf seine Stirn. Insgeheim verfluchte sie Kahlil, dass er Ben mit dem Streit geweckt hatte. Genau vor solchen Situationen wollte sie ihren Sohn beschützen. Aber Ben würde nicht wieder einschlafen. Nicht, solange er die Spannung in der Luft spürte.
Er legte den Kopf zurück und sah ihr ins Gesicht. Dann steckte er die Hand aus und berührte ihren Mund. „Warum hast du so laut geschrien?“
Es lag ihr auf der Zunge zu sagen, dass Kahlil geschrien hatte, dass Kahlil unmöglich war, doch sie brachte es nicht über die Lippen. Egal, was sie für seinen Vater empfand, sie durfte Ben nicht beeinflussen. Er musste seine eigene, vorurteilsfreie Beziehung zu Kahlil aufbauen.
„Habe ich geschrien?“, fragte sie und versuchte, ihre Stimme zu dämpfen und ihren rasenden Puls zu beruhigen. Eine lange Reise lag noch vor ihnen. Eine lange Nacht. Sie musste ihre Gefühle unter Kontrolle bringen.
„Ja. Du hast diesen Mann angeschrien.“
Diesen Mann. Deinen Vater.
Sie schaute Kahlil an. In seiner schwarzen Kleidung sah er bedrohlich aus.
„Tut mir leid“, antwortete sie. „Das hätte ich nicht tun sollen. Es tut den Menschen in den Ohren weh, nicht wahr?“
„Ja“, stimmte Ben zu. Er setzte sich auf und legte seine kleine Hand in ihre. „Wer ist dieser Mann? Warum ist er bei uns?“
Wie sollte sie sich verhalten? Sie durfte nicht lügen, durfte die Frage aber auch nicht ignorieren. Ben musste die Wahrheit wissen. Und wenn er sie jetzt nicht hörte, würde er sie spätestens nach der Landung erfahren.
„Ben, das ist … dein …“ Sie hob den Blick, sah Kahlil an. In seinem Gesicht fand sie keine Wärme, kein Erbarmen in seinen Augen. Sie wandte sich wieder an Ben. „Ben, dieser Mann ist dein … ist dein …“
„Daddy.“ Verärgert beendete Kahlil den Satz.
So hatte sie es nicht sagen wollen. Nicht mit so viel Wut in der Stimme. Und auch nicht mit dieser Arroganz.
„Ja“, bestätigte sie schnell in der Hoffnung, die Spannung ein wenig lösen zu können. „Er ist dein Daddy. Wir waren vor langer Zeit verheiratet und haben in einer wunderschönen Wüste gelebt.“
„In einer wunderschönen Wüste?“ Ben sah an Bryn vorbei zu Kahlil. „In einem Zelt? Mit Kamelen?“
„In einem Palast“, erwiderte Kahlil. „Aber wir haben Kamele.“
Ben richtete sich noch weiter auf. „Ich finde Kamele toll.“ Sein Gesicht wirkte so ernst, genau wie Kahlils. „Übrigens, ich heiße Ben. Und wie heißt du?“
„Scheich Kahlil Hasim al-Assad.“
„Das ist aber ein langer Name.“
„So lang ist er gar nicht. Du wirst auch so einen Namen haben wie ich.“
„Okay.“
Okay. Das war alles. Ben akzeptierte es. Akzeptierte seinen neuen Vater, seinen neuen Namen
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