JULIA GOLD Band 32
und sein neues Zuhause, einfach so.
Ben sah sie an und strich mit seiner kleinen Hand über ihre Wange. „Ist das mein richtiger Daddy?“, flüsterte er mit einem flüchtigen Seitenblick auf Kahlil.
„Ja.“
„Der, den ich wollte?“
„Ja, der, den du wolltest, mein Schatz.“
Keiner sprach. Bryns Puls raste. Sie spürte Bens Unsicherheit. In einer einzigen Sekunde hatte sich sein ganzes Leben geändert. Einfach so. Plötzlich reichte er Kahlil die Hand. „Ich bin Ben, Daddy.“
Kahlil rührte sich einen Moment lang nicht. Dann streckte er ganz langsam den Arm aus und nahm die Hand seines Sohnes. „Freut mich, dich kennenzulernen, Ben. Schön, dass wir endlich zusammen sind.“
Ben nickte feierlich. „Es hat lange gedauert.“
Kahlil hob den Blick und sah Bryn tief in die Augen. „Ja, sehr, sehr lange.“
5. KAPITEL
Der Learjet setzte sanft auf der Landebahn auf. Minuten später kam er vor einem niedrigen, hell erleuchteten Gebäude zum Stehen.
Noch bevor die Tür des Flugzeugs geöffnet wurde, trat Kahlil aus der privaten Schlafkabine. Seine westliche Kleidung war unter einem Gewand, der Djeballah, versteckt, und ein weißer Turban verhüllte sein schwarzes Haar. Bryns Magen machte einen Satz, und sie schluckte. Scheich Kahlil al-Assad in Person.
Er drehte sich um, sah in ihre Richtung und inspizierte ihr Haar und ihr Kleid. „Du musst dich verhüllen.“
„Es wäre zu fremd für Ben“, erwiderte sie und legte die Hand auf den Kopf ihres Sohnes.
Er sah sie unentwegt an. Nach einem Moment spannungsgeladenen Schweigens antwortete er: „Es würde ihm noch merkwürdiger erscheinen, wenn du mich zwingen würdest zu handeln.“
Kahlil verstand überhaupt nichts. Ben war zwar zur Hälfte Araber, doch die Sitten des Mittleren Ostens waren ihm völlig fremd. Er kannte weder die Sprache noch die Kultur. „Lass es mich ihm wenigstens zuerst erklären.“
Verächtlich sah Kahlil sie an. „Ich denke, ich sollte derjenige sein, der es erklärt. Schließlich ist es in meinem Land Sitte, die Djeballah und einen Turban zu tragen. Ich kenne mich besser damit aus als du.“
Und er erzählte Ben innerhalb von dreißig Sekunden, dass das Gewand und der Schleier hübsche Frauen zu etwas Besonderem machten. Sie wurden zu Prinzessinnen. „Möchtest du, dass deine Mom eine Prinzessin ist?“
Ben lächelte schüchtern und nickte dann zögernd. „Ja, Mommy. Ich möchte, dass du eine Prinzessin bist.“
Wieder einmal hatte Kahlil sie überrumpelt. Unbeweglich stand sie da, während Kahlil eine lange schwarze Djeballah entfaltete und dazu noch ein kürzeres Tuch. In einer schnellen Bewegung legte er ihr das Gewand über die Schultern und den Schleier über den Kopf. Sie spürte seine Fingerspitzen an ihren Schläfen und dann an ihrem Mund.
Wieder traten ihr Tränen in die Augen. Sie wollte ihn, aber nicht so. Sie wollte den liebenswürdigen Mann, der er sein konnte, nicht den unbarmherzigen, als der er sich jetzt aufführte.
Plötzlich beugte er sich vor und küsste sie durch den dünnen Schleier hindurch auf den Mund. „Wir sind zu Hause“, sagte er ruhig. Ganz der Sieger. „Denk daran, wo du jetzt bist und wer du bist.“
Sie konnte nicht sprechen. Angst, Müdigkeit und Unruhe überwältigten sie. Sie fühlte sich unausgeglichen, hin und her gerissen zwischen ihren eigenen Bedürfnissen und Bens. Ihr war bewusst, dass es nicht dieselben waren und nie dieselben sein würden.
Ben zupfte an dem schwarzen Gewand, und sie trat einen Schritt zurück. Er krauste die Nase, als er sie musterte. „Sie sieht nicht wie eine Prinzessin aus“, stellte er enttäuscht, sogar ein wenig empört fest. „Prinzessinnen tragen nicht solche Kleider.“
Sie hatte ihm Märchen wie Aschenputtel, Dornröschen und Schneeweißchen und Rosenrot erzählt. Er wusste, dass Prinzessinnen schöne Mädchen in farbenprächtigen Kleidern waren, ganz anders als die dunkel verhüllte Mutter, die vor ihm stand.
Bryn hätte gelächelt, wenn die Situation nicht so ernst gewesen wäre. Sie legte den Arm um ihn und zog ihn an sich. „Es ist okay so“, sagte sie schnell. „Das Gewand soll Mommy beschützen.“
„Aber er hat gesagt, der Daddy hat gesagt, du wärst eine Prinzessin. Ich möchte, dass du aussiehst wie eine Prinzessin. Zieh das aus“, drängte er und zupfte stärker an dem Gewand, um es wegzuziehen. „Bitte, Mommy, zieh es sofort aus.“
„Sie kann nicht“, erklärte Kahlil ruhig, aber bestimmt und ging neben Ben in
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