JULIA GOLD Band 32
hielt das Kind fest an ihre Brust gedrückt, die Wange des Jungen ruhte an ihrem Herzen, der kleine Mund war im Schlaf leicht geöffnet.
Oh, wie schön wäre es, wieder ein Kind zu sein! Geliebt und beschützt vor der harten Wirklichkeit des Lebens. Eine kummervolle Erinnerung blitzte in ihm auf, diesmal waren es wunderschöne dunkle Augen, lange dunkle Haare, Tränen in den Augen seiner Mutter und ein gellender Schrei, als er den Armen seiner Mutter entrissen wurde. Mama! Ich will meine Mama.
Er hasste die Erinnerung, verdrängte sie und verwischte alle Spuren an eine Vergangenheit, die nicht länger wichtig war.
Er hatte seine Mutter verloren und es überlebt. Ben würde es auch überleben, wenn das Schicksal es so bestimmte.
Dennoch, sie so zusammen zu sehen, Mutter und Sohn, die Liebe und das Vertrauen des Kindes zu erleben, die Hingabe seiner Frau, ließ ihn nicht unberührt. Wenn er zwischen sie trat, würde es beide zerstören. Bryn und den Jungen. Er würde seine eigene Familie zerstören. Und genau das wollte er nicht.
Aber er war nicht mehr der Mann, der Bryn geheiratet hatte. Er konnte nicht mehr lieben. Er wollte nur noch Rache.
Es hätte nicht so kommen müssen. Doch sie hatte ihre Wahl getroffen, jetzt traf er seine.
„Gab es einen anderen Mann in Zwar?“, fragte er plötzlich und drehte sich von ihr weg, unfähig, sich noch länger dieses Madonna-mit-Kind-Bild anzusehen.
Sie würde zahlen. O ja, er würde sie zahlen lassen.
„Nein“, flüsterte sie.
Ihre Antwort klang in seinen Ohren nicht überzeugend. Er glaubte, ein leichtes Schwanken in der Stimme zu vernehmen, die Spur von einem schlechten Gewissen. Langsam drehte er sich um und trat einen Schritt auf sie zu. „Du scheinst dir nicht ganz sicher zu sein. Willst du noch einmal über die Frage nachdenken?“
„Das ist nicht nötig. Ich war dir treu.“
„Sexuell?“
„Ja.“ Ihre Stimme klang jetzt fester, doch ihre Wangen röteten sich, und die Farbe verstärkte das Blau ihrer Augen und ließ ihre helle Haut noch transparenter erscheinen. Wie ein Gemälde von Rubens.
„Bist du sicher?“
„Ganz sicher.“
„Und emotional?“
„Mein Gott, Kahlil, was sollen diese Fragen? Wenn du mir Ehebruch vorwirfst, dann sag es, aber ich spiele nicht diese Ratespiele mit dir. Ich habe dir meine Antwort gegeben, und es ist eine ehrliche Antwort. Nie habe ich mit einem anderen Mann geschlafen, seit ich mit dir verheiratet war. Ich wollte immer nur dich.“
Warum hatte sie ihn dann verlassen? Sein kalter, analytischer Verstand wollte ihr nicht glauben. Sie log. Oder sie verheimlichte ihm etwas. Egal, was es war, sie hatte ihn enttäuscht und ihm fast das Herz gebrochen.
Gott sei Dank hatte er sich mit der Zeit davon erholt. Rifaat, sein Diener und persönlicher Assistent, hatte dafür gesorgt. Er hatte Kahlil an seine Pflichten und die Zukunft erinnert. Der Verlust seines Vaters zwang ihm, sich darauf zu konzentrieren. Zwar trauerte um seinen Herrscher, und Kahlil verdrängte seine eigenen Probleme und konzentrierte sich auf sein Land.
Die Arbeit half ihm. Eine gewisse Zeit. Bis er erfuhr, dass Bryn wieder heiraten wollte. Die alten Gefühle kamen wieder an die Oberfläche. Der Treuebruch, der Kummer, das Durcheinander von Gefühlen – Wut, Schock, Zweifel. Ich habe dich geliebt. Wie konntest du mich verlassen?
Es war der wütende Aufschrei eines verlassenen Kindes. Und er hatte sich allein gelassen gefühlt.
Kahlil hasste diese schwache Seite an sich. Dieses Bedürfnis, zu lieben und geliebt zu werden. Es war falsch, solche Sehnsucht nach einem Menschen zu verspüren. Sein Vater hatte nie wieder geheiratet, nachdem seine Mutter fort war. Warum konnte er nicht genauso stark sein?
„Was mache ich nur mit dir? Was habe ich mir dabei gedacht?“
Sie beugte sich vor, ein Leuchten ging über ihr Gesicht. „Du kannst die Maschine umkehren lassen. Es ist nicht zu spät. Wir haben noch nicht einmal den Atlantik überquert.“
Ihr Eifer, ihm zu entkommen, reizte ihn aufs Neue. Wer glaubte sie zu sein, dass sie meinte, eine Entscheidung treffen zu können? Sie hatte ihn verlassen. Vielleicht hatte sie ihn sogar betrogen.
„Wenn ich dich zurückschicke, dann allein.“
Sie wirkte verwirrt, zog die Stirn kraus, und plötzlich verstand sie. „Und Ben?“
„Er ist der Kronprinz. Eines Tages wird er meinen Titel erben und das Land regieren. Er bleibt natürlich bei mir.“
Sie geriet in Panik. „Ich werde zur Botschaft gehen
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