JULIA GOLD Band 32
gut.“
„Das werde ich.“
„Ich auch.“ Er drehte sich um und ging allein in die dunkle Nacht.
Bryn zog Ben an sich, doch sie konnte nicht einschlafen. Minuten vergingen, eine halbe Stunde verstrich, dann schließlich eine Stunde. Ihre Gedanken kreisten die ganze Zeit um Kahlil.
Seit dem Moment, da sie vor Jahren auf dem Parkplatz in Dallas auf seinen Wagen aufgefahren war, beeinflusste dieser Aufprall ihr Leben.
Als Kahlil damals aus seiner luxuriösen Limousine stieg, traf der Schock sie mit voller Wucht. Sie konnte nicht aufnehmen, was er sagte, starrte ihn nur an. Es war ihr, als würde sie ihn kennen. Aus einem früheren Leben. Sie konnte den Blick nicht von ihm wenden. Sie war fasziniert von der Symmetrie seines Gesichts, den ausgeprägten Wangenknochen, der aristokratischen Nase. Er war der unglaublichste Mann, den sie je gesehen hatte. Absolut perfekt. Wie Valentino in den alten Filmen.
Kahlil war erstaunt gewesen, dass sie nicht wusste, wo Tiva lag, obwohl sie ihre ersten dreizehn Lebensjahre im Mittleren Osten verbracht hatte, die meiste Zeit davon in der Wüste Zwar. Sie hatten einen Kaffee zusammen getrunken, und daraus war eine Unterhaltung geworden, die die ganze Nacht über gedauert hatte.
Als er ihr gesagt hatte, dass sie nicht wie die Frauen in seinem Land war, hatte sie es als Kompliment aufgefasst. Jetzt wusste sie es besser. Die kulturellen Unterschiede waren Schuld an ihren Problemen.
Kahlil brauchte sie, doch er hatte es ihr nie gesagt. Nicht, nachdem sie ihn betrogen hatte, und sie hatte ihn betrogen, wenn auch nicht so, wie er ihr vorwarf. Aber sie hatte sich mit Amin angefreundet, einem Araber – und ausgerechnet auch noch Kahlils Cousin! –, und Halt bei ihm gesucht, als sie sich unsicher fühlte. Ihr hatte es nicht gereicht, von Kahlil geliebt zu werden. Sie hatte endlose Rückversicherung gebraucht, ständige Liebesbeweise.
Bryn hatte den Tod ihrer Eltern für ihre eigene Unsicherheit verantwortlich gemacht, und den Kulturschock, den sie erfuhr, als sie zu ihrer Tante Rose nach Dallas zog. Doch sie hatte sich schon vor der schrecklichen Explosion auf dem Markt, bei der ihre Eltern ums Leben kamen, entwurzelt gefühlt. Ihre ganze Kindheit hindurch hatte sie einen richtigen Halt vermisst. Den Lebensstil ihrer Eltern hatte sie nie gemocht. Das Nomadenleben war ihr zuwider gewesen, es war ein Leben ohne Freunde und Bindungen. Sie sehnte sich nach einem eigenen Zimmer mit rosa Tapeten an den Wänden, Gardinen, Puppen und Kuscheltieren auf dem Kopfkissen. Sie wollte Bücher auf den Regalen, Spielzeug in einer Truhe und Schuhe und Kleidung in einem soliden Kleiderschrank.
Stattdessen hatte sie nur einen Rucksack, ein halbes Dutzend verschlissene Kleider, einen zerrupften Teddybären. Ihre Eltern hatten es gut gemeint. Sie glaubten, ihrer Tochter andere Werte vermitteln zu müssen, und lehrten sie, dass materielle Dinge unwichtig waren, dass man durch sie nur gebunden war. Doch Bryn wollte gebunden sein. Der größte Traum ihrer Kindheit war es, eines Tages aufzuwachen und zu entdecken, dass ihre Eltern ein zweigeschossiges Haus mit Schindeln, grünen Fensterläden und einem weißen Zaun drum herum gekauft hatten. Auf der Straße wären Kinder, die Fahrrad fuhren, Seil sprangen oder Ball spielten. Bryn würde auf eine richtige Schule gehen und jeden Tag lachend mit ihren Schulkameraden nach Hause laufen, die Schulbücher unter den Arm geklemmt.
Ihre Eltern lachten über diese Fantasien und sagten, dass dies genau das Leben war, das sie hinter sich gelassen hatten. Sie wollten kein gewöhnliches Leben.
Kahlil suchte genau das, was Bryn auch wollte – Stabilität, Sicherheit, Tradition. Und eine Familie. Und sie wünschten sich beide Kinder.
Behutsam küsste Bryn ihren Sohn, um ihn nicht zu wecken. Sie war dankbar, ihn endlich wieder in den Armen halten zu können. In seiner Nähe fand sie Trost. Doch sie konnte keinen Schlaf finden, solange sich ihre Gedanken weiter um Kahlil drehten.
Heute hatte sie das erste Mal seit Jahren einen schwachen Punkt bei Kahlil entdeckt, doch anstatt in der Wunde zu bohren, wollte sie ihn beschützen. Den Mann, den sie einst geliebt hatte, immer noch liebte , in einem Moment, wo er am verletzlichsten war.
Die unterschiedlichsten Emotionen flammten in ihr auf. Zärtlichkeit – Verzeihen – Bedauern. Sie waren einst so liebevoll miteinander umgegangen, waren voller Hoffnung und Liebe gewesen. Könnte es wieder so sein? Konnten sie wieder
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