Julia Gold Band 47
nicht wieder, es gäbe keine Liebe. Ich weiß, dass es sie gibt.“
Ben hob eine Augenbraue: „Etwa aus eigener Erfahrung?“
„Ja!“ Sie sprang auf, ging mit lauten Schritten durch die Halle und schlug die Zimmertür hinter sich zu.
Ben blieb verdutzt im Wohnzimmer zurück. Bis jetzt hatte Emily noch nie die Stimme erhoben. Und nie mit Türen geknallt. Mitten in einer vernünftigen Auseinandersetzung war ihr plötzlich der Kragen geplatzt.
Er rief sich die Unterhaltung noch einmal ins Gedächtnis, um herauszufinden, was sie so aufgebracht hatte. Er war auch ärgerlich gewesen, aber ohne das Zimmer Türen schlagend zu verlassen. Warum hatte er ausgerechnet diese Frau geheiratet? Und wenn er schon mit ihr verheiratet war, warum weigerte sie sich, mit ihm zu schlafen? Was war moralischer, als mit dem eigenen Ehemann das Bett zu teilen? Es war nicht nur moralisch, es war sogar rechtmäßig.
Sie schien ihn zu mögen und zu respektieren, aber sie liebte ihn nicht. Und er liebte sie nicht. Was war daran falsch? Ihn irritierte nur eins: ihre angeblichen Erfahrungen mit der Liebe. Was sollte das heißen? Er war drauf und dran, bei ihr anzuklopfen und zu fragen. Doch das tat er nicht. Er blieb sitzen und starrte ins Leere.
Liebe, ein überschätztes Gefühl. Er wollte niemals mehr ein Wort darüber hören.
Am nächsten Morgen benahmen sich beide, als wäre nichts geschehen. Und im Büro ging alles seinen normalen Gang, bis Emily Bens Vater am Telefon hatte. Weil der Chef in einer Besprechung war, hatte man das Telefonat zu seiner Frau umgeleitet. Als sie die Stimme des alten Scheichs hörte, bekam sie feuchte Hände. Sie fürchtete seine Fragen. Wahrscheinlich wollte er wissen, wie sich ihr Eheleben entwickelte und ob sie schon schwanger war.
„Emily, meine Liebe. Ich habe gute Nachrichten. Wie Ben dir vielleicht gesagt hat, feiern meine Frau und ich unseren fünfzigsten Hochzeitstag.“
„Herzlichen Glückwunsch!“
„Halt, noch ist es nicht soweit. Spar dir deine Wünsche bis zum nächsten Monat auf. Die gute Nachricht ist: Wir feiern ein großes Fest, und ihr seid eingeladen. Ich schicke in den nächsten Tagen die Flugtickets. Dann könnt ihr nicht sagen, dass ihr keine Zeit habt zu kommen. Du wirst unsere Heimat kennenlernen und an der jährlichen Feier teilnehmen, bei der wir den Treueschwur bekräftigen.“
Emily sagte nicht, dass sie keine Zeit hätten. Sie sagte überhaupt nichts. Sie wusste nicht, wie Ben dazu stand. Vielleicht wollte er gar nicht, dass sie das Scheichtum kennenlernte und an den Feierlichkeiten teilnahm. Außerdem hatte sie keine Ahnung, was unter einer Bekräftigung des Treueschwurs zu verstehen war. Sie bat den Scheich, mit seinem Sohn darüber zu sprechen.
Er rief ein zweites Mal an, als sie gerade in Bens Büro war, woraufhin sie sich sofort in ihr eigenes Zimmer zurückzog.
„Ich habe schon mit Emily gesprochen“, sagte der alte Scheich. „Sie ist mit allem einverstanden.“
„Womit?“ Ben runzelte die Stirn und sah zur geschlossenen Tür, hinter der Emily gerade verschwunden war. Warum hatte sie nichts gesagt? Es war doch sonst nicht ihre Art, Nachrichten zu unterschlagen.
„Ihr kommt zu unserem fünfzigsten Hochzeitstag. Wir feiern, aber nicht aufwendig.“
„Wie bitte? Ohne Kamelrennen? Ohne Falkenjagd?“
„Vielleicht doch, aber alles ganz bescheiden“, gab sein Vater zu. „In erster Linie ist das Fest dafür gedacht, dass wir und unsere verheirateten Kinder den Treueschwur bekräftigen. Und da du ja jetzt auch dazugehörst …“
„Aber wir haben uns doch gerade erst Treue geschworen“, protestierte Ben. „Findest du nicht, dass es für eine Bekräftigung noch zu früh ist?“
„Ihr habt in Amerika geheiratet. Das habe ich verstanden. Du bist da jetzt zu Hause. Aber hier bist du schließlich geboren. Viele unserer Verwandten haben deine Braut nicht einmal gesehen.“
Seine Braut. Die Verwandten wollten sie kennenlernen. Was Emily dazu sagen würde? Oder hatte sie schon etwas dazu gesagt?
„Du hast wirklich schon alles mit Emily geklärt, Vater?“
„Ja, heute Morgen. Können wir also mit euch rechnen?“
„Ich nehme an. Aber …“
„Kein Aber! Ich bin schon dabei, die Tafel gravieren zu lassen. Mit den Namen und Hochzeitsdaten. Wie lautet eigentlich Emilys zweiter Vorname?“
„Das weiß ich nicht“, gab Ben zu.
„Wie? Du weißt es nicht?“
Es gibt viele Dinge, die ich über Emily nicht weiß, dachte Ben. Wovon sie träumte, was sie
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