Julia Gold Band 47
umzudrehen.
„Also wirklich, Liebes“, bemerkte Anthea tadelnd, als Polly sich einen zweiten Teekuchen nahm. „Kein Wunder, dass du zugenommen hast.“
Sie fing Janice Jeffries mitfühlenden Blick auf und wurde verlegen. „Das habe ich nicht“, widersprach Polly. „Ich habe sogar etwas abgenommen.“
„Mir kannst du nichts erzählen“, beharrte ihre Mutter. „Die Knöpfe deiner Bluse spannen. Ich …“ Anthea verstummte, und ein erstaunter, fast scheuer Ausdruck erschien auf ihrem Gesicht. „Das war bei mir immer das erste Anzeichen. Du brauchst dich nicht zu genieren, Polly. Bist du schwanger? Mir kannst du es doch sagen. Schließlich bin ich deine Mutter.“
Polly saß steif da und blickte auf ihren Teller. „Nein.“
Anthea war enttäuscht. „Dann solltest du dich bei Süßigkeiten zurückhalten.“
Janice, deren Wochenendbesuch an diesem Nachmittag zu Ende ging, wechselte taktvoll das Thema. „Du fliegst also am Donnerstag zurück, Polly?“
„Alle verlassen mich!“, klagte Anthea.
Janice lachte. „Ernest kommt doch am Dienstag heim, und Peter ist übernächstes Wochenende hier. Sicher vermisst Polly ihren Mann. Inzwischen ist sie ja fast einen Monat hier.“
Anthea runzelte die Stirn. „Du meine Güte, so lange schon?“ Polly verließ die beiden plaudernden Frauen und beschloss, einen Spaziergang zu machen. In zwei Wochen war Weihnachten. Draußen wehte ein eisiger Wind, und Polly schob die Hände in die Taschen ihres alten Mantels, den sie aus einer Truhe hervorgeholt hatte.
Raschid hatte seit fünf Tagen nicht mehr angerufen. Nachdem sich Ernests Zustand gebessert hatte, hatte Raschid sich immer seltener gemeldet und Polly kein einziges Mal gebeten, nach Hause zurückzukehren. Deshalb hatte sie die Entscheidung selbst getroffen. Sie würde zurückfliegen und Raschid vor vollendete Tatsachen stellen.
Pollys Augen füllten sich mit Tränen. Es war genauso gekommen, wie Raschid vorausgesagt hatte. Für ihn war sie reizlos geworden. Er mochte noch nicht an Scheidung denken, aber er hatte auch nicht das Bedürfnis, seine Frau zurückzuholen …
Polly hörte Schritte hinter sich.
„Ich dachte, ich lasse unsere Mütter noch ein bisschen plaudern, ehe ich zum Aufbruch blase“, scherzte Chris, der Polly eingeholt hatte. Er bemerkte, dass sie sich hastig abwandte. „He, was hast du denn?“
Hilflos schüttelte sie den Kopf und wünschte, Chris würde sie allein lassen. Während seiner beiden Besuche in Ladybright war Polly nicht entgangen, dass er sie wiederholt forschend gemustert und versucht hatte, das Gespräch in eine persönlichere Richtung zu lenken. Polly hatte sich ihm jedoch nicht anvertraut.
„Es gibt Probleme in deiner Ehe, stimmt’s?“, drängte Chris. Polly schluchzte auf und wollte sich erneut wegdrehen, doch Chris zog sie in die Arme. „Bitte nicht“, flehte sie. „Du kümmerst dich so lieb um mich, aber dadurch wird alles nur noch schlimmer.“ Er drückte sie an sich.
„Raschid kann dich nicht zwingen, zu ihm zurückzukehren.“
„Aber ich möchte zu ihm zurück“, gestand Polly.
„Mir brauchst du nichts vorzumachen.“ Chris betrachtete ihr tränenüberströmtes Gesicht, und in seine Augen trat ein beschwörender Ausdruck. „Polly …“
„Ich mache dir nichts vor.“ Sie wollte ihn fortschieben, aber es war zu spät. Chris küsste sie. Benommen hielt sie einen Moment still, dann warf sie heftig den Kopf zurück. „Nein, Chris!“
Zerknirscht blickte er drein. „Bitte entschuldige, Polly. Ich habe mich vergessen …“
Da sie Schuhe mit hohen Absätzen trug, konnte sie über Chris’ Schulter blicken. In einer Entfernung von gut dreißig Metern bemerkte sie eine dunkle Gestalt unter den Bäumen, die die rückwärtige Auffahrt von Ladybright säumten. Entsetzt hielt Polly den Atem an und sah, wie Raschid sich abwandte und zurückging.
„Ich könnte dich ohrfeigen!“, zischte sie Chris zu und hastete Raschid über den feuchten Rasen nach. Als Polly die Auffahrt atemlos erreichte, stand Raschid reglos an der geöffneten Hecktür der silbergrauen Limousine.
„Ich bin mit der Scheidung einverstanden“, erklärte er eisig.
Unter seinem vernichtenden Blick brachte Polly kein Wort heraus. Sie wollte auf Raschid zugehen, doch er hob abwehrend die Hand, sodass Polly stehen blieb. „Du wirst nicht nach Dharein zurückkehren. Ich will dich nicht mehr sehen und wünsche keinerlei Kontakt mehr mit dir.“
Polly war fassungslos. Raschid verurteilte
Weitere Kostenlose Bücher