Julia Gold Band 51
erste Gelegenheit, die sich seit Tagen ergab, dass er mit Clio allein war.
Draußen goss es in Strömen. Clios Eltern waren mit den Kindern in einem bekannten Zirkus, der zurzeit in einer Nachbarstadt gastierte, und hatten Clio und ihm die Leitung überlassen. Gegen Mittag hatte er die Aushilfe in dem fast leeren Bootsverleih gebeten, alleine weiterzuarbeiten, und sich auf den Weg zum Haus gemacht.
„Selbst wenn Zara dich gebeten hat zu schweigen, musst du mir die Wahrheit sagen“, fuhr er fort. „Wer von meinen Männer hat deiner Schwester etwas angetan, als ich sie …“
„Gefangen hielt?“, ergänzte Clio sofort. Sie machte sich gerade ein Sandwich und kehrte ihm den Rücken zu. Ihre Sehnsucht nach Jalal war nicht geringer geworden. Es war schon schlimm genug, wenn sie mit ihm in einem Raum allein war. Sobald er seine Aufmerksamkeit auf sie richtete, wurden ihr die Knie weich.
„Ja“, erwiderte er leise, „als ich sie gefangen hielt. Hat sie mehr gelitten, als ich weiß?“
Sie wandte sich um und nutzte ihren alten Zorn, der wieder hochstieg, um andere leidenschaftliche Gefühle zu ersticken. „Es ist erstaunlich“, bemerkte sie aufgebracht. „Du sprichst von Zara, als ob sie die Einzige wäre, die deinetwegen gelitten hat. Hast du eine Ahnung, Jalal, durch welche Hölle wir hier gegangen sind, nachdem wir erfahren haben, dass Tausende von Kilometern weit weg ein fanatischer Rebell Zara gefangen genommen hat? Kannst du dir auch nur im Entferntesten vorstellen, was meine Mutter und mein Vater durchgemacht haben?“
„Ja, natürlich, ich …“
„Nein“, widersprach sie ihm tonlos. „Denn sonst wärst du nicht hierhergekommen.“ Oh wie sehr sie sich wünschte, er wäre nicht hier! „Du hättest niemals von meinen Eltern erwartet, dass sie dich gastfreundlich aufnehmen. Du glaubst wohl, nur weil Zara mehr oder weniger unversehrt davongekommen ist und du freundlicherweise keinen deiner Männer an sie herangelassen hast, wie wir tagelang befürchtet hatten, wäre jetzt alles vorbei und vergessen.“
Sie sah Jalal fest an. „Lass mich dir sagen, mein Vater wurde bleich wie die Wand, als wir die Nachricht von Zaras Entführung bekamen, und daran hat sich nicht eher etwas geändert, bis der Anruf kam, dass sie befreit worden war und es ihr gut ging. Ich dachte schon, er würde einen Herzinfarkt bekommen, wenn es sich noch länger hinzieht. Ich hatte Angst, es würde sie beide umbringen.“
Nachdem sie Luft geholt hatte, fuhr sie fort: „Den Kindern erging es nicht anders. Sogar Donnelly hat darunter gelitten. Wir konnten es nicht vor ihnen verborgen halten. Jeder im Land wusste Bescheid. Stundenlang war es im Fernsehen. Sie nannten Zara die Geisel von Barakat. Wusstest du das? Die Journalisten sprachen vom dritten Tag der Krise mit der Geisel von Barakat. Aber für uns waren das weitere vierundzwanzig Stunden voller Angst, Schrecken und Entsetzen, wie du es bestimmt noch nicht in deinem Leben durchgemacht hast.“
Er sagte nichts dazu, sondern hörte ihr aufmerksam zu.
„Also gut, ich weiß, dass ihr außer der Gefangennahme nichts zugestoßen ist, aber ich glaube nicht, dass die Sache damit ungeschehen gemacht werden kann, Jalal. Eine solche Erfahrung lässt einen nicht unberührt.“
Einige Gegenargumente fielen Jalal ein, doch er hielt sich zurück und versuchte nicht, sich zu verteidigen oder zu rechtfertigen.
Als Clio schließlich die Worte ausgingen und sie in Tränen ausbrach, beging er nicht den Fehler, sie in die Arme zu nehmen. Wie hätte er ihr auch Trost schenken sollen, wenn er ihr die Wunden, von denen sie sprach, zugefügt hatte?
Nachdem sie sich ausgeweint hatte, blieb er schweigend noch bei ihr sitzen. Sie putzte sich die Nase und wischte sich die Augen. Schließlich hob sie den Kopf.
„Danke“, sagte er da zu ihr. „Es war gut, dass du mir alles erzählt hast. Sonst hätte ich es nie verstanden. Ich habe mir zu Herzen genommen, was du gesagt hast, Clio.“
Alles hatte Clio ihm nicht gesagt. Dass sie sicher war, dass er sich in ihre Schwester Zara verliebt hatte, und nun sie, Clio, benutzen wollte, um sein Verlangen zu stillen, hatte sie unerwähnt gelassen. Sie hatte ihn auch nicht gefragt, wie tief seine Liebe zu Zara sei und ob er gewillt sei, Prinz Rafi zu hintergehen, um Zara zu bekommen.
„Seid sicher, Eure Onkel werden nicht zu Märtyrern.“
Es war ein heißer, sonniger Tag. Zwei Männer saßen an einem Tisch auf der Terrasse eines gemieteten Hauses, von
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