JULIA HOCHZEITSBAND Band 20
Doktor allmächtig ist. Du kannst nicht jeden retten.“
„Ich konnte meinen Bruder nicht retten“, erklärte er so nachdrücklich, dass seine Worte ominös von den Wänden widerhallten.
„Wie bitte?“
„Dabei hätte es gar nicht viel gebraucht. Ich musste nicht mal Chirurg sein, um zu merken, was mit ihm los war.“ Er strich sich durch das Haar. „Seine Frau hat ihn während der gesamten Ehe betrogen und schließlich verlassen, als sie von einem anderen schwanger wurde. Dabei hat Bruce sie wahnsinnig geliebt. Sie war seine ganze Welt. Sie hat ihm mehr bedeutet als sein Leben.“
Entsetzt hakte Colleen nach: „Er hat sich doch nicht umgebracht?“
„Nicht schnell und schmerzlos, sondern nach und nach. Und weil es so langsam vor sich ging, hätte ich es verhindern können. Ich hätte ihn retten können. Aber ich habe nichts getan. Ich wollte mir nicht eingestehen, dass mein großer Bruder – mein Idol – nicht unfehlbar ist.“
„Wie alt warst du?“, fragte sie sanft.
„Siebzehn.“
„Dann warst du ja noch ein Kind.“
„Du warst bei dem Zusammenstoß mit dem Colonel auch noch ein Kind. Trotzdem lässt du dich dadurch nicht von Schuld freisprechen.“
„Aber ich gebe mir nur die Schuld für meine eigenen Taten. Nicht für etwas, das jemand anderer getan hat.“
„Und ich gebe mir die Schuld für meine unterlassenen Taten. Dafür, dass ich nichts getan habe, um meinen Bruder davon abzuhalten, sich umzubringen.“ Nick strich sich mit einer Hand über das Gesicht, wie um die Vergangenheit wegzuwischen. „Niemand ist wegen dem gestorben, was du getan hast.“ Aber sie selbst hätte sterben können. Dieser Gedanke wühlte ihn auf. „Hast du es absichtlich getan?“
„Was? Den Colonel angefahren? Nein. Abbys Auto hatte schlechte Bremsen, und ich hatte noch nicht mal eine einzige Fahrstunde.“
„Dann sei nachsichtiger mit dir.“
„Den Rat solltest du lieber selbst befolgen“, entgegnete Colleen. „Wie hat er es getan?“
„Ganz langsam, mit der Flasche. Er hat getrunken, um zu vergessen. Dann ist er eines Abends in sein Auto gestiegen und gegen einen Baum gerast.“
„Wenn er betrunken war, dann war es nicht Selbstmord, sondern ein Unfall. Wie mein Zusammenstoß mit dem Colonel.“
Nick schüttelte den Kopf. „An diesem einen Abend hatte er nicht getrunken. Er ist total nüchtern an den Baum gerast. Auf dem Weg ins Krankenhaus hat er noch gelebt. Sie haben ihn in der Notfallambulanz verloren.“
„Deswegen bist du also Arzt geworden. Damit du andere retten kannst, nachdem du ihn nicht retten konntest.“
„Ich hätte kein Arzt sein müssen, um Bruce zu retten. Ich hätte nur sein Bruder, sein Freund sein müssen. Aber ich habe ihn im Stich gelassen.“
„Deswegen willst du unbedingt herausfinden, wo Molly ist“, vermutete Colleen. „Du hast Angst, dass du Josh auf dieselbe Weise verlierst.“
Er nickte stumm.
„Das wird nicht passieren. Josh ist nicht so veranlagt.“
„Mein Bruder war der stärkste Mensch, den ich kannte. Er war mein Held.“
„Wie viel älter als du war er?“
„Zehn Jahre.“
„Dann konntest du gar nichts für ihn tun. Er hätte nicht auf dich gehört. Ich weiß, wie es ist, wenn man ältere Geschwister zu beeinflussen versucht.“
Nick atmete tief durch. Die Last, die er seit fünfzehn Jahren mit sich herumschleppte, wurde ein wenig leichter. „Wahrscheinlich hast du recht.“
„Ganz bestimmt.“ Sie ging zu ihm und legte ihm die Arme fest um die breiten Schultern. Sie wollte ihm den Trost bieten, den er bisher von niemandem sonst akzeptiert hatte.
„Ich will dein Mitleid nicht.“ Er umfasste ihre Taille und zog sie fest an sich. „Ich will nur dich.“
„Dann nimm mich.“
„Ich muss dich warnen. Diesmal kann ich bestimmt nicht aufhören. Egal, wer hereinkommt oder wessen Kopf abfällt.“
„Solange es nicht dein eigener Kopf ist und wir deine Tür abschließen, dürfte es kein Problem sein.“ Trotz der einladenden Worte war Colleen bewusst, welches Risiko sie einging. Sie gab ihr Herz einem Mann, der nur ihren Körper begehrte. Ob er bereit dafür war oder nicht, er sollte beides bekommen.
Er zog sie mit sich ins Gästezimmer und verschloss sorgsam die Tür. „So, Auftrag ausgeführt.“
„Es ist schön zu wissen, dass ausnahmsweise mal jemand auf mich hört“, sinnierte sie.
„Ich werde immer auf dich hören“, versprach er. „Sag mir, was du willst.“
Dein Herz . Doch das war zu viel verlangt. „Dich.“
Er
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