JULIA PRÄSENTIERT TRAUMZIELE DER LIEBE Band 01
dachte Bryony, er würde nicht antworten, weil er die Frage für zu taktlos und zu persönlich hielt. „Ich verabscheue Etta nicht. Im Gegenteil, ich bewundere sie sogar. Sie ist eine ziemlich clevere Frau.“
„Bewundern italienische Männer wirklich intelligente Frauen?“
Er schmunzelte. „Ich sagte nicht intellektuell, sondern clever.“ Offenbar war er nicht bereit, diese Äußerung näher zu erläutern.
„Sie wollten mir Ihre Version der Geschichte erzählen“, erinnerte sie ihn.
Er nickte, schien es aber damit nicht eilig zu haben. „Wollen Sie noch einen Abstecher nach Mailand machen?“
„Ich glaube nicht.“
„Haben Sie dort keine Freunde?“
„Doch, einige. Aber ich bin seit über zwei Jahren nicht mehr dort gewesen.“
„Und was haben Sie in der Zwischenzeit getan?“
Bryony dämmerte, dass er mehr über ihre gescheiterte Beziehung herausfinden wollte. „Ich war in England“, erwiderte sie ausweichend.
„Und haben keinen Gebrauch von Ihren Sprachkenntnissen gemacht.“
„So ist es.“ Seine Neugier ärgerte sie, und sie beschloss, nichts weiter über sich zu verraten.
Anscheinend spürte Raphael ihre Zurückhaltung, denn er setzte abrupt sein Glas ab. „Meine Eltern wurden bei einem Autounfall getötet, als ich noch ein kleines Kind war. Daher wurde ich von meinem Onkel großgezogen. Er war für mich wie ein Vater. Die Villa war mein Zuhause.“ Er hob die Schultern. „Natürlich wurde ich zur Schule geschickt, später besuchte ich dann die Universität in Rom und eine Wirtschaftsakademie in den Vereinigten Staaten. Onkel Antonios Frau starb noch vor meiner Geburt, und er zeigte nie irgendwelches Interesse, sich noch einmal zu verheiraten. Aber eines Tages kam er zu mir nach Rom – und ich stellte ihm Etta vor.“
„Sie?“ Bryony traute ihren Ohren kaum.
„Ja. Sie war … eine Bekannte. Mein Onkel fühlte sich nicht wohl, und Etta überredete ihn zu einer Kreuzfahrt. Damals hielt ich das für eine gute Idee. Bis ich herausfand, dass sie ihn begleitete.“
„Warum war das so schlimm?“
Raphael warf ihr einen sonderbaren Blick zu. „Nach ihrer Rückkehr zog sie bei ihm ein, und dann …“, er zögerte und lächelte bitter, „dann beschlossen sie, zu heiraten. Er war ein starrsinniger alter Mann. Nichts, was ich sagte, konnte ihn umstimmen.“
„Warum wollten Sie das?“
Er musterte sie abschätzend und schüttelte schließlich den Kopf. „Sie würden es nicht verstehen.“
„Versuchen Sie, es mir zu erklären“, forderte Bryony ihn auf.
„Es ging dabei um … Familienehre.“
„Sie meinen, Etta wäre nicht gut genug gewesen, um in Ihre Familie einzuheiraten? Ist es das?“
Er machte gar nicht den Versuch, das zu leugnen. „Mit Etta als Besitzerin ist die Villa für mich verschlossen. Ich kann das Haus nicht auf die gleiche Weise nutzen, wie es meine Vorfahren getan haben. Es war unser Heim, der Ort, an dem wir Freunde und Nachbarn bewirteten … der Mittelpunkt unserer Familie, der von ihrem Oberhaupt bewohnt wurde. Zum ersten Mal seit nahezu dreihundert Jahren ist die Casa dei Cavalleri nicht mehr das Heim der Familie.“ Seine Stimme wurde hart. „Stattdessen ist das Anwesen in der Hand einer …“, er verstummte, als ihm bewusst wurde, wer ihm gegenübersaß, „… einer Ausländerin.“
Seine leidenschaftlichen Worte zeigten Bryony, dass ihm das Haus wirklich viel bedeutete. Alle Italiener verfügten über einen starken Familiensinn, und bei den Sizilianern war dieser Charakterzug besonders ausgeprägt. Es musste für Raphael unerträglich sein, zwar als Familienoberhaupt zu gelten, jedoch nicht im Haus seiner Vorväter zu leben. Trotzdem konnte sie ihm seine hochnäsige Bemerkung über Etta nicht verzeihen. „Also was soll ich Etta ausrichten?“, fragte sie kalt.
Seine Miene entspannte sich ein wenig. Die Kellner servierten den ersten Gang und mit ihm eine Flasche Weißwein, dessen Trauben an den Hängen des Ätna gereift waren. Raphael wartete, bis die Ober sich zurückgezogen hatten, und sagte: „Ich habe versucht, ihr zu erklären, was ich empfinde, und ihr ein sehr großzügiges Angebot gemacht, damit sie mir das Haus überlässt. Das Geld hätte ihr ein sorgenfreies Leben in Rom oder jeder anderen Stadt der Welt ermöglicht. Aber sie hat mich nicht einmal angehört.“
„Weiß sie, dass Sie Ihren Onkel überreden wollten, sie nicht zu heiraten?“
„Ich fürchte ja“, erwiderte er reumütig.
„In diesem Fall wundert mich Ettas
Weitere Kostenlose Bücher