Julia Quinn
Absatz herum und ging durch die
Eingangstür nach draußen. Er brauchte dringend frische Luft.
»Was glauben Sie, hält unseren
lieben Freund Blake so lange auf?«
Caroline, die ihm gerade eine Tasse
Tee einschenkte, hob beim Klang von James' Stimme den Kopf. »Er ist gewiss
nicht mein lieber Freund'; entgegnete sie.
»Nun, Ihren Feind würde ich ihn aber
auch nicht nennen.«
»Nein, das ist er gewiss nicht. Nur
bin ich der Ansicht, dass Freunde Freunde nicht an Bettpfosten fesseln.«
James verschluckte sich an seinem
Tee. »Caroline, Sie haben ja keine Ahnung.«
»Die Sache hat sich im Übrigen von
selbst erledigt«, bemerkte sie, während sie aus dem Fenster blickte. »Er geht
fort.«
»Was?« James sprang von seinem Platz
auf dem Sofa auf und durchquerte den Raum. »Verfluchter Feigling!«
»Gewiss hat er nicht Angst vor mir'; scherzte sie.
James wandte den Kopf, um sie
anzusehen, und sein Blick bohrte sich derart eindringlich in ihren, dass sie
sich unbehaglich zu fühlen begann. »Vielleicht hat er das doch«, sagte er
leise, mehr zu sich als zu ihr.
»Mylord?«
James schüttelte den Kopf, wie um
seinen Verstand zu klären, aber er unterbrach seine Musterung nicht. »Ich
habe Sie doch gebeten, mich James zu nennen.« Er grinste übermütig. »Oder, lieber
Freund', wenn Ihnen James zu vertraulich erscheint.«
Sie schnaubte geziert. »Beides wäre
zu vertraulich, wie Sie selbst nur zu genau wissen. Verglichen mit meiner
derzeitigen prekären Lage allerdings, scheint es wie reine Haarspalterei, sich
deswegen zu ereifern.«
»Eine überaus praktisch veranlagte
Frau«, bemerkte er lächelnd. »Die beste Sorte Frauen.«
»Ja, gewiss. Mein Vater war Kaufmann«,
erinnerte sie ihn spöttisch. »Man muss praktisch veranlagt sein, um in diesem
Betätigungsfeld erfolgreich zu sein.«
»Ah, ja, natürlich. Kaufmann. Sie
erwähnen es ja immer wieder. Welcher Art waren denn seine Geschäfte?«
»Schiffsbau.«
»Ich verstehe. Dann müssen Sie an
der Küste aufgewachsen sein.«
»Ja. In Portsmouth, bis mein ... Warum starren Sie mich so merkwürdig an?«
»Entschuldigen Sie. Habe ich Sie
angestarrt?«
»Ja«, sagte sie unverblümt.
»Es ist bloß, dass Sie mich an
jemanden erinnern, den ich einmal kannte. Nicht durch Ihr Aussehen. Noch nicht
einmal durch Gesten oder etwas Ähnliches. Es ist eher ...« Er legte den Kopf
schief, als suchte er nach dem richtigen Wort. »Es ist mehr eine Ähnlichkeit im
Wesen, wenn es so etwas gibt.«
»Oh«, antwortete Caroline, da ihr
keine intelligentere Erwiderung einfiel. »Ich verstehe. Ich hoffe, sie war
nett.«
»O ja. Die Beste. Aber das ist jetzt
unerheblich.« James kam wieder zurück und setzte sich auf den Stuhl ihr schräg
gegenüber. »Ich habe über Ihre Lage viel nachgedacht.«
Caroline nippte an ihrem Tee. »Ach
ja?«
»Ja. Ich bin der Ansicht, dass Sie
hier bleiben sollten.«
»Damit wäre ich jederzeit
einverstanden.«
»Und was ist mit Ihrem Ruf?«
Caroline zuckte die Schultern. »Wie
Sie schon sagten, ich bin praktisch veranlagt. Wie Mr. Ravenscroft erst
kürzlich erwähnte, sind seine Diener verschwiegen. Und meine einzige Alternative
besteht darin, zu Oliver Prewitt zurückzukehren ...«
»Was keine echte Alternative ist«,
warf James ein, »es sei denn, Sie wollen wirklich mit diesem Nichtsnutz von
seinem Sohn verheiratet werden.«
»Auf keinen Fall.« Sie schwieg eine
Weile. »Oder ich komme auf meinen ursprünglichen Plan zurück.«
»Der worin bestand?«
»Ich dachte, ich könnte vielleicht
Arbeit in einem Gasthof finden.«
»Nicht gerade die sichersten
Aussichten für eine allein stehende Frau.«
»Ich weiß«, räumte Caroline ein. »Aber
ich hatte keine andere Wahl.«
James strich sich nachdenklich über
das Kinn. »Hier auf Seacrest Manor wären Sie immerhin sicher. Wir werden Sie
ganz bestimmt nicht zu Oliver Prewitt zurückschicken.«
»Mr. Ravenscroft hat noch nicht
zugestimmt, dass ich hier bleiben darf«, erinnerte sie ihn. »Und dies hier ist
sein Haus.«
»Das wird er aber.«
Caroline kam der Gedanke, dass James
ein bisschen zu zuversichtlich klang. Auf der anderen Seite wusste er nichts
von dem Kuss, den sie und Blake ausgetauscht hatten. Blake hatte wohl wenig
Gefallen daran gefunden, denn er hatte danach ziemlich angewidert gewirkt.
Mit einer abrupten Bewegung drehte
sich James wieder zu ihr herum. »Wir wollen, dass Sie uns helfen, Ihren Vormund
seiner gerechten Strafe zuzuführen.«
»Ja, das hat Mr. Ravenscroft
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