Julia Quinn
ihre Schulter. Was war denn bloß im Wohnzimmer los? Seine Tante rief
irgendetwas, Lucas antwortete mit gellender Stimme, und dann kam Susan
herausgerannt und stürmte über den Flur in die Küche.
»Ich habe
ihn!« schrie sie erfreut.
Und dann trottete, zu James' großem
Erstaunen, ein überdimensionales Fellknäuel aus der Küche und trabte ins
Wohnzimmer. Verdammt. Sogar der verfluchte Kater war vor ihm hier angekommen.
»Jane«, begann er mit seiner
Meinung nach heldenhafter Geduld. »Ich muss unbedingt mit deiner Schwester
sprechen.«
»Mit
Elizabeth?«
Nein, mit Susan. »Ja, mit Elizabeth«, bestätige
er langsam.
»Sie ist im Wohnzimmer, aber ich
muss Sie vorwarnen.« Kokett neigte sie den Kopf zur Seite. »Sie ist sehr
beschäftigt. Wir haben heute unheimlich viel Besuch.«
»Ich weiß«, murmelte er und
wartete, dass Jane ihn vorbeiließ.
»Miau!«
»Dieser Kater ist nicht besonders
gut erzogen«, stellte Jane fest und machte keine Anstalten, sich von der
Stelle zu bewegen, jetzt, wo sie glücklich ein neues Gesprächsthema gefunden
hatte. »Er maunzt schon die ganze Zeit so.«
James ertappte sich, dass er
ungeduldig die Hände geballt hatte. »Wirklich?« fragte er so höflich er
konnte. Wenn er so gesprochen hätte, wie er sich fühlte, wäre das kleine
Mädchen bestimmt erschrocken geflüchtet. Und der Weg zu Elizabeths Herz war ihm
sicherlich auf ewig versperrt, wenn er ihre kleine Schwester zum Weinen
brachte.
Jane
nickte. »Er ist schrecklich.«
»Jane ...« Er ging in die
Hocke, um auf gleicher Augenhöhe mit ihr zu sein. »Kann ich jetzt mit
Elizabeth sprechen?«
Das Kind trat zur Seite. »Natürlich.
Sie hätten mich nur zu fragen brauchen.«
James verkniff sich eine weitere
Bemerkung. Stattdessen dankte er Jane, küsste noch einmal ihre Hand und ging
dann zum Wohnzimmer, wo er überrascht, aber auch belustigt, Elizabeth auf
allen vieren vorfand.
»Malcolm!« zischte Elizabeth.
»Du kommst jetzt sofort unter dem Schrank hervor!«
Malcolm tat nichts dergleichen.
»Auf der Stelle, du elendes
Katervieh!«
»Wagen Sie nicht, ihn elendes
Katervieh zu nennen!« polterte Lady Danbury los.
Elizabeth streckte den Arm aus und
versuchte, das widerspenstige Fellbündel zu fassen zu bekommen. Das widerspenstige Fellbündel reagierte darauf mit einem krallenbewehrten Pfotenhieb.
»Lady Danbury, dieser Kater ist ein Ungeheuer«, stellte Elizabeth fest,
ohne den Kopf zu heben.
»Seien Sie nicht albern. Malcolm ist
ein liebenswertes Tierchen, und das wissen Sie!«
»Malcolm ist eine Ausgeburt der
Hölle«, murrte Elizabeth.
»Elizabeth!«
»Ist doch wahr.«
»Erst letzte Woche meinten Sie, er
sei ein reizendes Tier!«
»Da war er auch freundlich zu mir.
Und wenn ich mich recht erinnere, haben Sie ihn da einen Verräter
genannt!«
Lady Danbury beobachtete
verschnupft, wie Elizabeth erneut versuchte, den Kater einzufangen. »Er ist
vollkommen durcheinander, weil diese schrecklichen Gören ihn so
herumgescheucht haben!«
Das reichte! Elizabeth stand auf,
sah Lady Danbury vernichtend an und grollte: »Niemand nennt Jane und Lucas
,schreckliche Gören', außer mir!«
Es wurde nicht gänzlich still im
Raum. Blake lachte hörbar hinter vorgehaltener Hand, und Lady Danbury stotterte und stammelte hilflos irgendetwas vor sich hin. Am wenigsten aber war
Elizabeth vorbereitet auf das leise, beifällige Klatschen hinter ihr. Sie
drehte sich langsam um und sah zur Tür.
Da stand James. Mit hochgezogenen
Brauen und einem leichten, beeindruckten Lächeln. Er neigte den Kopf zur Seite.
»Ich kann mich nicht erinnern, wann das letzte Mal jemand so mit dir gesprochen
hat, Tante!«
»Außer dir«, konterte Lady
Danbury. Doch dann wurde ihr bewusst, dass er sie Tante genannt hatte, und sie
fing wieder an zu stottern, wobei sie panische Blicke in Elizabeths Richtung
warf.
»Das ist schon in Ordnung«,
versicherte James. »Sie weiß alles.«
»Seit wann?«
»Seit gestern Abend.«
»Und das haben Sie mir nicht gesagt?«
fuhr sie Elizabeth an.
»Sie haben mich ja nicht
gefragt.« Sie drehte sich wieder zu James um. »Wie lange stehst du schon
da?« fragte sie gereizt.
»Ich habe dich unter den Schrank
kriechen sehen, falls du das meinst.«
Elizabeth stöhnte innerlich auf. Sie
hatte Jane gebeten, James etwas aufzuhalten, und hatte gehofft, sie hätte ihn
so lange im Foyer abgelenkt, bis sie selbst den Kater eingefangen hatte. Wenn
sie dieses Tier zu fassen bekam ...
»Warum hat mir keiner
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