Julia Quinn
nur so wütend?
Immerhin war sie diejenige, die in jemanden verliebt war, der sie ganz
offensichtlich nur als Bürde empfand. Zwar eine, mit der ihn eine angenehme
Freundschaft verband, aber doch zweifellos eine Bürde. Selbst jetzt ließ er
sich noch von seinem dummen Versprechen leiten und vergraulte Herren, die er
für unangemessen hielt.
Wenn er sie schon nicht selbst lieben wollte, könnte er wenigstens
aufhören, ihre Chancen bei anderen Männern zu zerstören.
»Ich gehe«, erklärte sie, denn sie hielt
es keinen Augenblick länger aus. Sie wollte ihn nicht sehen, sie wollte auch
Daisy und Iris nicht sehen, nicht ihre Mutter und nicht einmal Mr Bridgerton,
der mit seiner Limonade im Eck stand und Felicity Featheringtons ältere
Schwester charmant um den Finger wickelte.
»Wohin?«, fragte er aufgebracht.
Sie antwortete nicht. Es ging ihn schließlich
nichts an. Ohne sich noch einmal umzudrehen, verließ sie den Raum.
Verdammt und zugenäht.
Marcus wäre Honoria gern hinterhergerannt,
aber damit hätte er nur eine große Szene verursacht. Er hätte auch gern
geglaubt, dass niemand ihren Streit mitbekommen hatte, aber Colin Bridgerton stand in der Ecke und feixte
in seine Limonade, und Lady Danbury hatte mal wieder ihren Ich-weiß-alles-und-bin-allmächtig-Blick aufgesetzt, den Marcus normalerweise nicht beachtete.
Diesmal hatte er jedoch das dumpfe Gefühl, dass die alte Dame
irgendwie an seiner Niederlage beteiligt war.
Als der lästige Mr Bridgerton nun auch noch die bandagierte Faust
zu einem spöttischen Gruß hob, beschloss Marcus, dass es ihm nun reichte. Er
schritt durch dieselbe Tür, durch die Honoria hinausgegangen war. Zum Teufel
mit dem Klatsch. Wenn die Leute merkten, dass sie beide gegangen waren, und
sich deswegen aufregten, konnten sie ja verlangen, dass Marcus ihr einen
Heiratsantrag machte.
Damit
hatte er keinerlei Problem.
Nachdem er im Garten, im Salon, im
Musikzimmer, in der Bibliothek und sogar in der Küche nach ihr gesucht hatte,
entdeckte er sie schließlich in ihrem Schlafzimmer, einem Ort, dessen
Existenz er bisher eisern ignoriert hatte. Aber er hatte nun wirklich genug
Zeit in Winstead House verbracht, um zu wissen, wo die Wohnräume waren, erwartete
Honoria also wirklich, dass er sie, nachdem er in jedes andere verdammte Zimmer
geschaut hatte, hier nicht finden würde?
»Marcus!« Sie kreischte
beinahe. »Was machst du hier?« Anscheinend hatte sie tatsächlich erwartet,
dass er sie hier nicht finden würde.
Die erste Bemerkung, die aus seinem Mund kam, hätte kaum
ungeschickter sein können: »Was ist bloß los mit dir?«
»Was mit mir los ist?« Sie setzte sich
rasch auf ihrem Bett auf und arbeitete sich wie eine Krabbe Stück für Stück zum
Kopfbrett empor. »Was ist mit dir los?«
»Ich bin nicht vom Ball davongestürmt, um in einer Ecke zu
schmollen.«
»Es ist
kein Ball. Es ist eine musikalische Soiree.«
»Es ist deine musikalische Soiree.«
»Ich
schmolle, wenn ich will«, knurrte sie.
»Was?«
»Nichts.« Wütend starrte sie ihn an und verschränkte die Arme eng
vor der Brust. »Du hast in meinem Schlafzimmer nichts zu suchen.«
Er warf die Hand in die Luft, als wollte er (voll Sarkasmus)
sagen: Ach, wirklich?
Sie sah erst auf seine Hand und dann in sein Gesicht. »Was soll
das denn jetzt heißen?«
»Du hast gerade erst den Großteil einer Woche in meinem Schlafzimmer
verbracht.«
»Du warst
beinahe tot!«
Da musste er ihr zwar recht geben, hatte aber nicht die Absicht,
es auch einzugestehen. Stattdessen kam er auf den Punkt zurück, um den es
eigentlich ging. »Ich habe dir einen Gefallen getan, als ich Bridgerton gebeten
habe zu gehen.«
Empört riss
sie den Mund auf. »Du ...«
»Er gehört nicht zu der Sorte Mensch, mit der du dich abgeben
solltest«, unterbrach er sie.
»Was?«
»Sei
doch mal leise!«, zischte er.
»Ehe du hereingekommen bist, war ich mucksmäuschenstill«,
zischte sie zurück.
Er konnte sich kaum mehr beherrschen und trat einen Schritt vor.
»Er ist nicht der Richtige für dich.«
»Das habe ich auch nie behauptet. Lady Danbury hat ihn
hergerufen.«
»Sie ist
eine Landplage.«
»Das
sagtest du bereits.«
»Man kann
es gar nicht oft genug wiederholen.«
Endlich sprang sie vom Bett auf. »Was um alles in der Welt ist so
schlimm daran, dass sie mir Colin Bridgerton vorgestellt hat?«
»Sie hat versucht, mich eifersüchtig zu machen!« Es klang
fast wie ein Aufschrei.
Sie erstarrten beide, und nach einem raschen
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