Julia Saison Band 11
verspeiste. „Wirklich?“
„Hast du schlafen können?“, fragte Cain.
„Das wollte ich vorhin von dir wissen, und du hast nicht geantwortet.“
„Ich kann schlafen, wo immer ich bin. Aber du? Du hattest schließlich einen Fremden im Haus. Hat die verrammelte Tür dich beruhigt?“
Merritts Gesicht glühte vor Verlegenheit. „Ich war so leise wie möglich, um dich nicht zu kränken.“
„Du hast nur getan, was du für richtig hieltst.“
„Das würde jemand sagen, der dich nicht kennt. Doch diese Entschuldigung habe ich nicht. Schon gar nicht, nachdem du mir dein Wort gegeben hast.“
„Das habe ich. Aber ich habe auch verstanden, dass du es erst akzeptierst, wenn du dazu bereit bist.“
Merritt schüttelte den Kopf. „Wie kommt ein Mensch, der so redet wie du, zu dem Namen Cain? Warum hat deine Mutter ausgerechnet diesen biblischen Namen gewählt?“
„Mein Großvater hat mich getauft.“
Sanford Paxton höchstpersönlich? „Er hat dich bestraft, weil er nicht hinnehmen wollte, dass dein Vater deine Mutter geschwängert hatte?“
„Tom und Lily liebten sich. Aber mein Vater kam durch einen Unfall auf der Ranch ums Leben, bevor er meine Mutter heiraten konnte. Er ist bei einem Sturz unter sein Pferd geraten. Mein Großvater kannte die Absichten meines Vaters, doch beim Begräbnis erklärte er meiner Mutter, dass er ein Kind von ihr niemals anerkennen oder unterstützen würde.“
„Sicher hatte sie Angst davor, eine alleinerziehende Mutter zu sein“, sagte Merritt und stellte sich eine wunderschöne weibliche Ausgabe von Cain vor.
„Ihre Mutter, meine Großmutter, hielt zu ihr, doch im Reservat waren sie praktisch Ausgestoßene.“ Cain trug sein Geschirr zur Spüle. „Du weißt ja schon, dass meine Mutter bei meiner Geburt gestorben ist. Allerdings hat die Gerüchteküche dir offenbar noch nicht zugetragen, dass beim Kaiserschnitt mein toter Zwillingsbruder zum Vorschein kam.“
„Nein“, flüsterte Merritt. „Wie traurig.“
„Die Nabelschnur hatte sich um seinen Hals gewickelt. Es heißt, man habe Sanford ins Krankenhaus gerufen. Angeblich hat er mich und meinen toten Bruder nur angesehen und gesagt: ‚Nennt den da Cain und schickt ihn nach Hause zu seiner Großmutter.‘“
Zum Glück hatte Merritt alle Schmalzkuchen ausgebacken, denn vor Entsetzen über das Gehörte konnte sie sich auf nichts mehr konzentrieren. Wütend zog sie den Stecker der Fritteuse aus der Buchse. „Wie konnte er nur?“, empörte sie sich.
Cain stand auf, schob seinen Stuhl zurück unter den Tisch und griff nach seiner Jacke. „Das musst du ihn selbst fragen.“
„Oha.“ Merritt hätte gern noch weitere Fragen gestellt, doch da fiel ihr Blick auf die Uhr. Sie seufzte bedauernd auf. „Ich muss meine Backwaren einpacken und mich auf den Weg machen.“
„Ich bringe die Sachen in den Pick-up, wenn du fertig bist“, bot Cain an. „Und du erledigst in der Zwischenzeit alles, was du noch zu tun hast.“
Obwohl sie glaubten, gut in der Zeit zu liegen, war es nach sechs, als Cain den Pick-up die Zufahrt hinunter lenkte. Wie er vorausgesagt hatte, wurde die Fahrt ungemütlich, und Merritt war dankbar für ihr Schultertuch, mit dem sie ihr Gesicht vor dem schneidenden Wind schützen konnte.
Abgesehen von Alvie und Leroy waren sie schließlich doch die Ersten im Café, und Cain parkte direkt neben der Tür. Alvie und Leroy rissen die Augen auf, als sie sahen, wie Merritt hergekommen war und wer ihr half, ihre Sachen hereinzutragen. Merritt wusste, dass Cains mitgenommene Erscheinung ihre Verwunderung noch steigerte. Nach der Reinigung der Wunde und der Erneuerung des Druckverbands hatte sie diesen zum Schutz vor Splittern und anderem Unrat mit einer Mullkompresse abgedeckt. Zwar fiel sein zu langes Haar ihm in die Stirn, aber die weiße Kompresse zog dennoch Aufmerksamkeit auf sich.
Cain wünschte Alvie und Leroy ruhig einen guten Morgen und stellte Merritts Sachen vor der Küche auf dem Tresen ab. Dann suchte er wieder den Tisch auf, an dem er am Vortag gesessen hatte.
Nach einem fragenden Blick in Merritts Richtung zuckte Leroy die Achseln und trug ihre Tasche in die Küche, wo er sie an ihrem Arbeitsplatz neben der Kühlvitrine abstellte. Sie folgte ihm mit den Plastikboxen voller Schmalzkuchen und tauschte ihre Stiefel gegen Turnschuhe aus. Das Schweigen wurde immer erwartungsvoller.
„Dein Haar ist nass“, sagte Alvie schließlich.
Der kühle Tonfall ihrer Chefin verriet Merritt, dass Alvie
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