Julia Saison Band 11
sie zu schließen und zu verriegeln.
An der Tür lauschte sie auf Zeichen dafür, dass Cain schon aufgestanden war. Dafür bestand allerdings eigentlich kein Grund, abgesehen davon, dass das Sofa ein bisschen zu kurz für ihn und nicht besonders bequem für einen Mann seiner Größe sein konnte. Sie schob den Riegel zurück und öffnete die Tür, um auf Zehenspitzen ins Bad zu schleichen und zu duschen, bevor Cain von irgendwelchen Geräuschen aufwachte. Falls er doch wach wurde, wollte sie die Schmalzkuchen in ihrer Küche ausbacken, andernfalls im Café.
Es war hell im Wohnzimmer, doch Cain war nirgends zu sehen. Sein Bettzeug lag säuberlich gefaltet auf dem Sofa.
Das Licht fiel aus der Küche ins Zimmer, doch auch dort war er nicht, ebenso wenig wie im Bad. Seine Jeansjacke und das T-Shirt, die sie vorm Schlafengehen in den Trockner gegeben hatte, waren nicht mehr da.
Und jetzt? fragte sie sich. War er fort? Wie denn? Sein Pick-up würde wohl kaum fahrtüchtig sein.
Sie ging zum vorderen Fenster und erkannte im Licht auf der Veranda, dass es aufgehört hatte zu schneien. Außerdem wurde ihr klar, dass Cain wohl schon eine Weile auf den Beinen war, denn die Verandatreppe lag schneefrei vor ihr, und ein schaufelbreiter Weg zog sich über die Zufahrt bis zur Straße. Sie vermutete, dass auch die Hintertreppe geräumt sein würde. Mit einem Blick in Richtung Scheune sah sie Laternenlicht und hörte schwache Motorengeräusche.
Cain war in der Scheune und versuchte, seinen Pick-up freizubekommen. Wollte er sie in die Stadt fahren? So, wie das Fahrzeug schon vor dem Dacheinsturz ausgesehen hatte, war es ein Wunder, dass der Motor überhaupt ansprang.
Sie duschte rasch, solange sie das Haus für sich allein hatte. Alte Gewohnheiten lassen sich schwer überwinden, gestand sie sich ein, und dachte an das, was sie Cain am Vorabend anvertraut hatte.
Nachdem sie in saubere Jeans und einen orangefarbenen Sweater geschlüpft war, kochte sie Kaffee und backte die Schmalzkuchen aus. Da hörte sie, wie die Haustür geöffnet und wieder geschlossen wurde.
Cain wirkte durchgefroren und so müde, als hätte er nur ein paar Minuten geschlafen, als er in die Küche kam und sich die Hände rieb. „Ein Spaß wird es nicht“, begann er, „aber ich kann dich in die Stadt bringen. Ich habe die Fahrerkabine sauber gemacht, und uns sollten auch keine Scherben von der zersplitterten Frontscheibe um die Ohren fliegen. Aber das Wichtigste ist, dass der Motor läuft und sich zumindest die Fahrertür öffnen und schließen lässt.“
Merritt goss ihm dampfenden Kaffee in einen Becher. „Und wenn dir bei dieser Arbeit nun das restliche Dach auf den Kopf gefallen wäre? Wenn du gestürzt wärst?“
„Ist beides nicht passiert.“
„Du benimmst dich, als hättest du doch eine Gehirnerschütterung.“ Die Sorge um ihn ließ sie gereizt reagieren. „Und du siehst aus, als hätte dich ein Zug überrollt.“
„Ich wünsche dir auch einen guten Morgen.“
Der träge, gedehnt gesprochene Gruß traf sie genauso wie die Enttäuschung in seinem Blick wegen der fehlenden Anerkennung für seine Leistung. Merritt schob ihm den Kaffeebecher zu.
„Guten Morgen“, sagte sie etwas kleinlauter. „Entschuldige. Solche Nettigkeiten bin ich wohl nicht gewohnt.“ Sie deutete auf den Küchentisch. „Ich serviere dir dein Frühstück im Café, aber vielleicht magst du einen frischen Schoko-Schmalzkuchen zum Kaffee? Du siehst wirklich so aus, als könntest du eine Pause gebrauchen.“
Cain knöpfte seine Jacke auf, zog sie aus und hängte sie über eine Stuhllehne, bevor er nach seinem Becher griff. „Ich konnte den Duft von Kaffee und Kuchen bis in der Scheune riechen. Ein Wunder, dass du damit nicht einen hungrigen Bären aus dem Winterschlaf geweckt hast.“
Als Cain den Teller entgegen nahm, berührten sich ihre Finger und es durchzuckte Merritt wie ein Stromstoß. Die Art, wie Cain sie ansah, verriet ihr, dass auch er etwas gespürt hatte.
Er stellte den Kaffeebecher ab und wollte in den Kuchen beißen.
„Halt, warte!“, rief Merritt. „Es dauert eine Weile, bis die Füllung abgekühlt ist.“
„Danke für die Warnung.“ Er teilte den Kuchen in zwei Hälften. „Ich bin so hungrig, dass ich das Stück mit zwei Bissen verschlungen hätte.“ Er kostete behutsam, dann beherzter und seufzte vor Wonne. „So etwas sollte verboten sein.“
Merritt unterbrach sich in ihrer Tätigkeit und sah entzückt zu, wie er ihre Kreation
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