Julia Saison Band 17
März jedoch, als wie immer am Monatsanfang ihr Gehalt auf dem Konto eingegangen war, hatte sie sich geschämt. Sie fand es nicht richtig, dass ein Mann seine eigene Ehefrau dafür bezahlte, ihm den Haushalt zu führen. Zunächst hatte sie ihre Bedenken weggewischt und ihr neues Leben mit Caleb genossen, doch als er ihr einige Tage vor dem Familiendinner einen Scheck über 500 Dollar für die nötigen Einkäufe gab, bekam sie erneut ein schlechtes Gewissen.
Als sie jedoch mit Caleb darüber diskutieren wollte, winkte er ab. Er fand, dass sie alles großartig organisiere, und wollte nicht, dass sie sich über so etwas Unwichtiges wie Geld Gedanken machte.
Etwas so Unwichtiges wie Geld …
Sie hatte monatelang mit ihrem Cousin in einem ausgebombten Haus gelebt und sich von Abfällen und kleinen Diebstählen ernährt. Später, im Waisenhaus, hatten sie zwar immer etwas zu essen gehabt, doch es war nie so viel gewesen, dass alle wirklich satt geworden wären.
Für sie war Geld nicht unwichtig. Es bedeutete, nicht stehlen zu müssen und satt und warm in einem weichen Bett liegen zu können. Mit Geld konnte man Sicherheit kaufen. Manchmal träumte Irina davon, eines Tages so viel Geld zu haben, dass sie niemals wieder würde hungern müssen. Genug, um Essen und Kleidung für andere Bedürftige kaufen zu können.
Wenn sie nur einem anderen Menschen dazu verhalf, ebenfalls in Sicherheit leben zu können, hätte sie ihr Ziel erreicht. Leider wusste sie nicht genau, wie sie diesen Plan verwirklichen sollte, doch ihr war klar, dass sie nicht länger von Calebs Großzügigkeit abhängig sein wollte.
Finanzielle Unabhängigkeit wäre ein erster Schritt.
Am Sonntagmorgen nach der großen Dinnerparty stahl Irina sich im Morgengrauen aus dem Schlafzimmer, sorgsam darauf bedacht, Caleb nicht zu wecken. Mit der üblichen Effizienz räumte sie auf, wusch das Geschirr ab und wischte die Böden in Küche und Esszimmer.
Als Caleb kurz vor elf Uhr aufstand, fand er sie im Hauswirtschaftsraum vor, wo sie gerade die Tischtücher und Servietten aus der Waschmaschine holte.
„Du arbeitest viel zu hart“, sagte er.
Irina stopfte die Wäsche in den Trockner und schaltete das Gerät ein, bevor sie sich zu ihm umdrehte, ihre Hände auf seine breiten Schultern legte und ihm einen Kuss gab.
„Es stört mich nicht, zu arbeiten“, erklärte sie. „Willst du Frühstück?“
„Hast du etwa noch nichts gegessen?“
Ihr Magenknurren verriet sie. „Ich bin zu beschäftigt. Außerdem will … wollte ich auf dich warten.“
„Okay. Ich brate den Speck, und du kümmerst dich um das Rührei.“
„Hört sich an wie ein guter Plan“, stimmte sie lächelnd zu. In den letzten Wochen hatte sie viel Zeit damit verbracht, Grammatik zu pauken. Inzwischen vergaß sie kaum noch die Artikel, und auch die Vergangenheitsformen gelangen ihr immer besser. Natürlich machte sie noch immer Fehler, aber sie war trotzdem sehr stolz auf ihre Fortschritte.
„Die Dinnerparty gestern Abend war ein voller Erfolg“, lobte Caleb und sah sie voller Zuneigung an. „Ich habe mich großartig amüsiert.“
„Ich mich auch.“
In der Küche kochte Irina Kaffee und bereitete die Eier vor, während Caleb den Schinken briet. Als alles fertig war, setzten sie sich an den kleinen Tisch vor dem Fenster. Nachdenklich sah Irina hinaus. Wie konnte sie das Thema Geld am besten anschneiden?
„Was ist los?“ Fragend sah Caleb sie an. „Irgendetwas bedrückt dich doch. Ich sehe es an der steilen Falte zwischen deinen Augenbrauen.“
„Hm.“ Vermutlich war es am besten, wenn sie offen und direkt war. Entschlossen holte sie den 200-Dollar-Scheck, den sie am Morgen ausgestellt hatte, aus ihrer Hosentasche und reichte ihn Caleb.
„Was zum Teufel soll das, Irina?“
Mit gespielter Lässigkeit nippte sie an ihrem Kaffee und gab sich Mühe, nicht eingeschüchtert zu klingen. „Immer, wenn ich etwas mache, das dir nicht gefällt, fluchst du. Aber das hier ist nichts Schlechtes. Ich gebe dir das Geld zurück, das ich von deinen 500 Dollar für die Party nicht gebraucht habe.“
„Aber das ist nicht nötig!“, protestierte er.
„Doch, Caleb. Es ist nötig.“
Ohne etwas getrunken zu haben, setzte er seine Kaffeetasse ab. „Du hast die ganze Woche für diese Dinnerparty geschuftet. Du hast ununterbrochen gekocht, das ganze Haus geputzt und alles perfekt vorbereitet. Und dann bist du auch noch heute Morgen in aller Herrgottsfrühe aufgestanden und hast alles allein
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