Julia Sommerliebe 0020
war froh, als sie oben angekommen waren und in Richtung Villa gingen. Dabei war sie sich seiner Gegenwart ständig bewusst. Wie stark sie sich zu ihm hingezogen fühlte, erschütterte Gina zutiefst. Plötzlich legte er ihr die Hand auf den Rücken und führte Gina zu der großen Terrasse hinter dem Haus. Sie erschauerte.
„Machen Sie es sich bequem, signorina“, sagte er höflich und wies auf die Stühle. „Bitte entschuldigen Sie mich einen Moment, ich ziehe mich kurz um. Danach können wir uns unterhalten.“ „Und Sie werden mir helfen, mit den Besitzern der Villa in Kontakt zu treten?“, fragte Gina hoffnungsvoll.
Ein Lächeln umspielte den Mund des Mannes, doch in seinen Augen spiegelte sich Misstrauen. „Wir werden sehen.“
Ihr wurde klar, dass sie ihm womöglich mehr anvertrauen musste, als sie vorgehabt hatte. Seufzend beobachtete sie, wie er durch eine Tür im Hausinnern verschwand. Gina fühlte sich angespannt und durcheinander, was mit der Wichtigkeit ihres Vorhabens zu tun hatte, aber auch mit dem heftigen Verlangen, das der geheimnisvolle Fremde in ihr weckte. Das ließ sich ebenso wenig leugnen wie sein Interesse, das sich in seinen Augen widergespiegelt hatte.
Betroffen erinnerte sie sich an jenen Augenblick, als sie sich voller Begehren angesehen hatten. In dieser einen Sekunde hatte ihr Schutzpanzer, den sie für sehr stabil gehalten hatte, einen Sprung bekommen. Gina spürte, wie Empfindungen in ihr wach wurden, die sie sich mit der Entscheidung verboten hatte, die Bedürfnisse ihrer Großeltern über die eigenen zu stellen. Vielleicht war ihr einfach die romantische, fast märchenhafte Liebesgeschichte der beiden zu Kopf gestiegen. Ja, daran wird es liegen, versuchte Gina, sich zu beruhigen. Wenn der geheimnisvolle Fremde gleich zurückkam, war bestimmt wieder alles normal.
Weil sie nicht still dasitzen konnte, stellte sie ihre Tasche auf den Tisch und schlenderte zu einer Mauer. Seufzend lehnte Gina sich dagegen und bewunderte die wunderschöne Aussicht auf die Küste. Von Wissbegier getrieben, ging sie im nächsten Moment zu der Staffelei, die ihr schon zuvor aufgefallen war. Das darauf stehende Bild war noch nicht fertig, aber sehr beeindruckend und in einem außergewöhnlichen Stil gemalt. Gina war keine Expertin, doch die geschickte Anordnung farbiger abstrakter Blöcke, aus denen sich die Landschaft zusammensetzte, gefiel ihr. Ob wohl der „Meeresgott“ der Künstler war. Oder jemand anders, der hier mit ihm lebte – vielleicht eine Frau?
Mit einem Mal hörte Gina ein Geräusch und drehte sich um, ein wenig beschämt über ihre Neugier. Schlagartig erkannte sie ihren Irrtum: Die Hoffnung, sich jetzt nicht mehr zu dem fremden Mann hingezogen zu fühlen, war völlig vergebens. Er trug ein schwarzes T-Shirt und eine Jeans, die seine Beine betonte, und sah noch immer atemberaubend gut aus. Auch angezogen übte er noch dieselbe heftige Anziehungskraft auf sie aus. Zwar schien er sich inzwischen rasiert zu haben, aber er strahlte noch immer jene ungezähmte Männlichkeit aus, die beunruhigende Gefühle in ihr wachrief.
In den Händen hielt er zwei mit einem Fruchtgetränk gefüllte Gläser. Stirnrunzelnd stellte er erst ein Glas auf den Tisch und nahm dann das andere von der rechten in die linke Hand, bevor er es ebenfalls abstellte. Gina bemerkte, wie er Zeigefinger und Daumen der rechten Hand krümmen wollte. Es schien, als hätte er damit Schwierigkeiten.
Gina ging auf ihn zu und entdeckte nun zum ersten Mal die feinen Narben. Es waren drei auf der rechten Hand und eine auf der Innenseite des linken Unterarms, in der Nähe des Ellenbogens. Gina war schon immer sehr mitfühlend gewesen und verspürte sofort den Wunsch, zu helfen und zu trösten. Doch der verärgerte, stolze Ausdruck in seinen Augen hielt sie zurück, sodass sie ihre Fragen und ihre Besorgnis für sich behielt. Dank ihrer Erfahrung in der Arbeit als Krankenschwester konnte Gina ihre Gefühle verbergen. Und darum ignorierte sie das, was der Mann sicher als Schwäche betrachtete, und setzte sich hin, ohne etwas zu sagen.
„Danke für das Getränk, signor.“ Lächelnd trank sie einen Schluck des aromatischen Safts, der aus verschiedenen Beeren zu bestehen schien. „Die Erfrischung tut gut.“
Er neigte den Kopf und sah sie einen Moment lang an, bevor er sich ebenfalls setzte und ihr damit viel zu nahe war. „Nichts zu danken. Und jetzt, da Sie ganz offiziell mein Gast sind, sollten wir uns einander
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