JULIA SOMMERLIEBE Band 21
sie war, die sie lieber früher als später hinter sich bringen wollte.
Mit ihren Worten hatte sie ihn so sehr verletzt, dass er jede Zurückhaltung vergessen hatte. Doch selbst in dem Augenblick war er nicht brutal geworden, hatte ihr – zumindest körperlich – nicht wehgetan. Er war sogar ziemlich behutsam, musste sie zugeben. Aber natürlich hat kein Mann der Welt das Recht, sich einer Frau gegenüber so zu benehmen, auch wenn es sich um seine Ehefrau handelt, dachte sie mit neu aufflammender Wut.
Gleichzeitig hatte er Gefühle in ihr ausgelöst, die sie auch jetzt noch verwirrten. So beharrlich hatte sie eine Mauer zwischen Lorenzo und sich aufgebaut, doch nun fehlte ein Stein. Würde der Schutzwall dennoch halten oder in sich zusammenstürzen?
Es muss mir auf jeden Fall gelingen, Abstand zu ihm zu halten, sagte Marisa sich und starrte an die Decke. Das war besonders jetzt wichtig, da Lorenzo so unerwartet wieder in ihrem Leben aufgetaucht war und augenscheinlich bleiben wollte – ohne Rücksicht auf ihre eigenen Wünsche.
Ihre Gedanken drehten sich im Kreis, sie konnte nicht wieder einschlafen. Seufzend schob sie die Bettdecke zur Seite, stand auf und setzte sich in den kleinen Sessel am Fenster.
Dabei hätte sie gerade heute diesen Schlaf so dringend gebraucht, um morgen einen klaren Kopf zu haben.
Sie erinnerte sich an jenen Moment, als ihr unter der Dusche plötzlich bewusst geworden war, dass sie erst drei Wochen später wissen würde, ob sie schwanger war.
Verzweifelt hatte sie nach einer Entschuldigung gesucht, um ihm beim Dinner nicht gegenübertreten und so tun zu müssen, als wäre alles in Ordnung.
Marisa starrte in die Dunkelheit hinaus und gab sich der Erinnerung hin …
An jenem Abend hatte Marisa trotz aller Zweifel ihren Mut zusammengenommen, ein elegantes, türkisfarbenes Kleid angezogen und war betont entspannt in den salotto gegangen.
Kühl hatte sie Lorenzos Angebot angenommen, ihr einen Drink zu mixen, und zu ihrer Erleichterung festgestellt, dass er die Geschehnisse des Nachmittags ebenso wenig zur Sprache bringen wollte wie sie.
„Du solltest dir die Gegend ansehen, Marisa, es ist wunderschön hier. Fahr nach Amalfi, entdecke Positano und Ravello“, schlug er während des Essens vor.
Hat er etwa vor, mich zu begleiten? Erschrocken schluckte Marisa. Sie wollte nicht mehr Zeit mit diesem Mann verbringen als nötig.
Doch mit seinen nächsten Worten zerstreute er ihre Befürchtungen. „Ich habe ein Auto mit Chauffeur für dich organisiert. Paolo ist ein Cousin von Evangelina, er wird dich jeden Tag fahren, wohin du willst.“ Und ich bin dich los …
Die Worte standen unausgesprochen zwischen ihnen.
„Ich verstehe.“ Marisa hätte sich freuen sollen, aber stattdessen fühlte sie sich verzweifelt und leer. „Das ist … sehr freundlich von dir“, sagte sie schließlich.
Das war seine Art, mit einer unangenehmen Situation umzugehen – er schaffte sich die Quelle des Übels einfach vom Hals.
Nichts anderes hatte er damals mit Alan gemacht, der seinen Plänen mit Marisa im Weg gestanden hatte.
Lorenzo schwieg eine Zeit lang. „Ich habe Bücher für dich bestellt“, begann er fast zaghaft. „Eine Auswahl von britischen und amerikanischen Bestsellern. Damit du dich tagsüber nicht langweilst.“
„Wie aufmerksam“, gab Marisa zurück. „ Grazie. “
„ Prego. “ Er verzog den Mund zu einem kleinen Lächeln.
Es kam Marisa sehr entgegen, in den kommenden Tagen die Touristin zu spielen – auch, weil sie dadurch der Villa und Lorenzos unterkühlter Höflichkeit entgehen konnte.
Obwohl es ihr unangenehm war, zeigte er sich weiterhin ausgesprochen großzügig. So konnte sie über mehr Bargeld verfügen, als sie je zuvor besessen hatte, und zudem noch über mehrere Kreditkarten.
Früher hatte sie sich oft vorgestellt, wie es wäre, sich alles kaufen zu können. Jetzt aber erkannte sie, dass sie keine großen Wünsche hatte.
Vermutlich bin ich nicht der Typ Frau, der bis zum Um fallen einkaufen gehen kann. Was für eine Verschwen dung.
Nur einen größeren Kauf tätigte sie während ihres ersten Ausflugs in die Umgebung. In Positano erstand sie gleich drei Badeanzüge – in Schwarz, Olivgrün und Dunkelrot. Nun würde sie sich von dem verhassten Bikini trennen können, den sie nach dem Erlebnis im salotto nie wieder tragen wollte.
In Amalfientdeckte sie eine hübsche Postkarte, die sie an Julia und Harry schickte.
Besonders entzückt war sie von Ravello mit
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