JULIA SOMMERLIEBE Band 21
Ehre sein musste, zu seiner Braut erwählt worden zu sein – wenn er keine Einwände hatte, sie zu heiraten, dann hatte sie erst recht keine haben können.
Regungslos hatte sie die Einladung zur Geburtstagsparty angenommen und zugestimmt, das Fest gemeinsam mit ihm zu planen.
Natürlich hatte sie gewusst, dass dieser Grund seines Besuchs nur vorgeschoben war und er in Wirklichkeit seine künftige Braut in Augenschein nehmen wollte. Doch sie hatte sich nicht anmerken lassen, ob sie sich darüber freute oder nicht.
Das hätte mir zu denken geben müssen, sagte er sich im Nachhinein. Aber er hatte ihren Mangel an Emotionen darauf geschoben, dass sie angesichts der bevorstehenden Verlobung bestimmt nervös und angespannt war. Lorenzo schüttelte den Kopf und hing wieder seinen Erinnerungen nach …
In der Vergangenheit war es ihm bei Frauen nicht wichtig gewesen, ob sie unerfahren waren. Im Gegenteil. Doch für die Frau, die eines Tages den Erben der Santangelis zur Welt bringen sollte, war Unberührtheit ein entscheidendes Merkmal. Deshalb hatte er sich vorgenommen, im Vorfeld mit Marisa darüber zu sprechen, wie er sich die gemeinsamen Tage vorstellte – und auch die Nächte.
Also bot er ihr an, die Flitterwochen zu nutzen, um sich wieder besser kennenzulernen und sich zunächst als Freunde zu begegnen. Er versprach ihr, geduldig zu warten, bis sie bereit für ihn war.
Ohne etwas zu erwidern und halb von ihm abgewandt hörte sie ihm zu. Dennoch bemerkte er, dass eine feine Röte ihr Gesicht überzog, als er sprach.
Jedes seiner Worte war aufrichtig gemeint. Und gerade deshalb hoffte er auf eine Reaktion von Marisa – ein winziges Zeichen, das ihn ermutigt hätte, sie in die Arme zu schließen und sanft zu küssen.
Doch sie zeigte keinerlei Gefühl – weder damals noch zu einem späteren Zeitpunkt.
Nicht ein einziges Mal hatte sie ihm zu verstehen gegeben, dass sie sich nach einer Berührung, nach einer kleinen Zärtlichkeit sehnte.
Mit dem Angebot, dass sie den Zeitpunkt der ersten gemeinsamen Nacht bestimmen kann, bin ich in eine Falle getappt, die ich selbst aufgestellt habe, dachte Lorenzo verärgert.
Als dann endlich der Tag der Hochzeit gekommen war, hatte er sich angesichts ihrer Unnahbarkeit mittlerweile so unsicher wie ein Schuljunge gefühlt. Er hatte nicht gewusst, wie er sich ihr nähern sollte, und das war etwas gewesen, das er so nicht gekannt hatte.
Womit er jedoch überhaupt nicht gerechnet hatte, war, dass er die Beherrschung verlieren könnte. Mit den Geschehnissen an jenem Tag in ihren Flitterwochen haderte er noch immer …
Lorenzo seufzte, als er nun ein Handtuch um seine Hüften schlang. Es gab keinen Grund, sich immer wieder damit zu quälen.
Ich sollte ins Bett gehen und versuchen, noch ein wenig zu schlafen, dachte er. Schließlich war es spät genug. Doch er ahnte, dass er keinen Schlaf finden würde. Er sollte die verbliebene Zeit besser nutzen, um sich auf den kommenden Tag vorzubereiten.
Entschlossen trat er aus dem Bad, schenkte dem einladend aufgedeckten Bett im Nebenraum keine Beachtung und ging stattdessen durch die Diele in den salotto.
In Bankkreisen war Lorenzo als zukunftsorientierter Geschäftsmann mit einem Gespür für Veränderungen am Markt bekannt. Doch wenn man den alten Schreibtisch seines Großvaters sah, der eine Ecke des Salons beherrschte, wurde klar, wie wichtig ihm gleichzeitig Traditionen und Familienbande waren.
Er trat an den Schreibtisch und zog einen Aktenordner aus einem der Fächer. Nachdem er sich einen Scotch eingeschenkt hatte, streckte er sich auf dem Sofa aus und blätterte in den Unterlagen.
Während er die Seiten überflog, nahm er einen kräftigen Schluck von seinem Drink. Doch plötzlich setzte er sich so abrupt auf, dass er den Inhalt seines Glases beinahe verschüttete. Er fluchte und stellte das Glas auf einem der kleinen Tischchen neben dem Sofa ab. Ungläubig las er den letzten Absatz noch einmal. Der Sicherheitsdienst, den er beauftragt hatte, seine Frau in London zu beschützen, hatte ihm eine Nachricht zukommen lassen. Fassungslos starrte er auf die Notiz.
Wir müssen Sie davon in Kenntnis setzen, dass Signo ra Santangeli unter ihrem Mädchennamen eine Stel lung als Empfangsdame in einer privaten Kunstgale rie am Carstairs Place angenommen hat. Bereits zwei Mal war sie in der vergangenen Woche mit dem Be sitzer der Galerie, Mr. Corin Langford, zum Abend essen verabredet. Ihren Ehering trägt sie nicht mehr. Auf Wunsch
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