Julia Timoschenko - die autorisierte Biografie
Schattenwirtschaft soll sogar gesagt haben: »Fünf Juschtschenkos unter meinen Feinden machen mir keine Angst, wenn neben ihnen keine Timoschenko steht.«
Der Konflikt mit dem Ministerpräsidenten, der sich seit Langem anbahnt, wird Ende 2000 schließlich offenbar.
Wenn sie zurückschaut und an die ersten Diskussionen mit diesem Mann denkt, der immer eine Stufe über ihr stand, zeigt sich rasch, dass die Differenzen nicht zufällig entstanden sind. Ihnen liegen beträchtliche ideologische Meinungsverschiedenheiten zugrunde, aber wichtig war etwas anderes: die Strategie, die zum Erfolg führen sollte.
Das Leben hatte Juschtschenko gelehrt, dass der Weg nach oben lang und ermüdend eintönig war, aber einen anderen gab es nicht. Mindestens einmal im Jahr bestieg Juschtschenko die Gowerla, den höchsten Berg der Ukraine, den er »seinen Fudschijama« nannte. Der langsame, konfliktlose, aber stetige Aufstieg entsprach ganz seinem Temperament und seinem Charakter. Er sympathisierte mit Julia, war sogar bereit, sich vor sie zu stellen und dabei ein wenig seine Karriere zu riskieren. Aber es gab eine Grenze, die er nicht überschreiten konnte. Er wollte sich mit niemandem wirklich anlegen, vor allem nicht mit dem Präsidenten. Er wünschte keinen Skandal. Zumindest damals nicht.
Julia Timoschenko war da von ganz anderem Charakter und hatte im Leben andere Erfahrungen gemacht, die ihr Verhalten bestimmten. Wenn sie ihren bisherigen Weg überschaute, dann begann sie zu ahnen, dass sie vor allem in extremen Situationen erfolgreich gewesen war. Nur im Krieg, in der Schlacht, wenn sie dem Gegner Auge in Auge gegenüberstand, fühlte sie sich wohl. Sie brauchte einfach den nötigen Adrenalinstoß. Konflikte auszutragen und Widerstände zu überwinden – das war ihre Welt. Als sie das einmal begriffen hatte, ging sie wie eine Besessene diesen Weg, der ihr so viel Kummer und zugleich ein solches Glücksgefühl bescheren sollte.
Im Herbst 2000 und selbst im Januar 2001, wenige Tage vor ihrer Vertreibung aus der Regierung, erhielt sie noch eine Chance, auf ihrem Posten und in Freiheit zu bleiben. Eine ernsthafte Chance, die mit dem persönlichen Schicksal Leonid Kutschmas zusammenhing.
»Kutschmagate« braute sich zusammen.
Dreizehntes Kapitel
Der Fall Gongadse
Der Chefredakteur der Internetzeitung Ukrainskaja Prawda, Georgi Gongadse, wurde zum letzten Mal in der Nacht auf den 17. September 2000 lebend gesehen. Da kam er aus dem Haus seiner Kollegin Olena Prytula und wollte sich nach Hause begeben. Wie gewöhnlich winkte er am Straßenrand einen Wagen heran. Ein Hyundai Sonata hielt. Der Fahrer bat ihn, hinten Platz zu nehmen, da der Vordersitz defekt sei. Als er einstieg, drängten plötzlich drei Mann nach. Der Wagen schoss davon …
Zwei Stunden nach seinem Weggang begann Olena Alarm zu schlagen. Am Morgen hatte sie bereits einen Artikel über sein Verschwinden auf die Website der Ukrainskaja Prawda gestellt. Stunden später erschien dort ein Plakat mit der Aufschrift »Journalist gesucht!« mit einem schwarzen Schattenriss anstelle des Gesichts.
Am 27. September schaltete sich Interpol in die Suche nach Gongadse ein. Am 16. November kam Olena Prytula zu Ohren, im Wald von Taraschtschansk bei Kiew sei von Spaziergängern eine Leiche ohne Kopf gefunden worden. Sie war nicht in der Lage, sie zu identifizieren. Es gelang ihr aber, aus der Pathologie ein Stückchen Gewebe mitgehen zu lassen, das sie in eine Plastiktüte steckte und in ihren Kühlschrank legte. Später sollte sie es Stück für Stück für zahlreiche Untersuchungen hergeben …
Erst fünf Jahre nach Gongadses Verschwinden gelang es den Ermittlern, Schritt für Schritt zu rekonstruieren, was in jener schrecklichen Nacht geschehen war.
Gongadse wurde von Mitarbeitern des Innenministeriums unter Führung von General Pukatsch, Chef der Verwaltung Außenbeobachtung, ermordet. Unterwegs wurde der Journalist von seinen Begleitern geschlagen und gefesselt. Außerhalb der Stadt hielt der Wagen, und Gongadse wurde herausgezerrt. Die Mordwaffe war ein ganz gewöhnlicher Hosengurt. General Pukatsch persönlich erwürgte Gongadse. Sie schnitten dem Leichnam den Kopf ab, übergossen ihn mit Benzin und zündeten ihn an. Nachdem sie ihn vergraben hatten, hielt der General mit seinen Helfern unterwegs in einem Café, wo sie sich bei Wodka zu entspannen suchten.
Georgi Gongadse war mutig und kompromisslos gewesen. Der Sohn einer Ukrainerin und eines Georgiers hatte mit
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