JULIA VALENTINSBAND Band 21
wieder auf den Unterteller und schob die Sonnenbrille ein Stück nach unten. Auf der Terrasse befanden sich höchstens sechs Gäste, die frühstückten. Das leise Klirren des Bestecks und die hin und wieder gemurmelten Sätze wurden von dem Krachen der Wellen, die ans Ufer schlugen, übertönt. Trotzdem, ob aus Gewohnheit oder Vorsicht, senkte Martin die Stimme.
„Ich habe mit Rory gesprochen, als ich gestern Abend ankam.“
Caro versteifte sich, und sie hatte das Gefühl, ihr Lächeln würde gefrieren. Martin registrierte ihre Reaktion interessiert, machte aber keine Bemerkung dazu.
„Er meint, Sie hätten alles vollkommen im Griff.“
Sofort entspannte sie sich wieder. „Das hoffe ich.“
„Das hoffe ich auch. Wir ziehen sehr ungern über hundert Agenten gleichzeitig aus dem Einsatz, aber die globale Situation ist zurzeit so unbeständig, dass wir keine andere Wahl hatten. Sie müssen über die allgemeine Lage genau informiert werden. Deshalb können wir auch keine Minute dieser ganzen Konferenz vergeuden.“
„Ihr Konferenzplan ist in der Tat ziemlich dicht.“
„Und es kommt noch mehr dazu.“
Er schob seine Tasse beiseite und öffnete das Notizbuch, aus dem er einen Ausdruck des Ablaufplans herauszog, in dem zahlreiche Anmerkungen standen. Caro wurde beim Anblick der vielen Zusätze und den mit dicken schwarzen Pfeilen angedeuteten Änderungen fast übel.
„Rory und ich sind gestern Abend noch einmal alles durchgegangen. Er hat bei einigen Leuten noch offene Gegenleistungen eingefordert, und jetzt verfügen wir über einen Afrikaexperten, der herfliegt, um uns über die Situation in Zimbabwe zu unterrichten. Wir wollen ihn hier einsetzen, direkt vor die Information über Tiblesi.“
„Okay.“
„Wir haben auch noch zwei aktuelle Situationsberichte zu den letzten Entwicklungen in Tibet und Venezuela dazugenommen. Die könnten wir morgen vor der Feuerwaffendemo noch dazwischenquetschen. Ich denke, einen morgens, während wir frühstücken, den anderen zur Mittagszeit. Wir machen aus beiden Mahlzeiten Arbeitssitzungen.“
Caro schluckte bei dem Gedanken, dass somit ihr akribisch ausgearbeiteter Essensplan über den Haufen geworfen wurde. Sie musste sich mit der Cateringabteilung des Resorts besprechen – und zwar so bald wie möglich –, um die gewünschten Änderungen durchzugeben. Ohne ihren Unmut zu zeigen, nickte sie.
„Kein Problem.“
„Und wo wir gerade von der Demonstration von Feuerwaffen sprechen …“
Martin blätterte weiter bis zur Genehmigung, die von Captain Antonio Medina unterzeichnet war, dem verantwortlichen Beamten der Abteilung Schusswaffen bei der nationalen Polizeibehörde in Girona. Da sie als Vermittlerin zwischen der GSI und Captain Medina fungierte, hatte Caro Stunden mit der Übersetzung und der Zustellung der notwendigen Formulare verbracht. Nun reichte ihr der Senior-Vize der GSI zwei weitere.
„Sehen Sie zu, ob Sie Medinas Stempel auf diese beiden zusätzlichen Demos bekommen können.“
„Ice Shield?“, las sie. „Paraclete-Weste? Was ist das?“
„Das Erste ist ein Verteidigungssystem, das auf negativer Energie basiert. Wir sehen das als mögliche Entwicklung, um hochkarätige Klienten zu verteidigen, wenn sie durch eine Menschenmenge gehen müssen. Das Zweite ist eine neue Generation von Schutzwesten gegen Patronen, die herkömmliches Material durchstoßen. Ich habe hier in Spanien für beides ein Unternehmen gefunden, das noch vor der geplanten Demonstration morgen liefern könnte.“
Er nahm einen weiteren Schluck seines Zuckerkaffees und blickte Caro über den Rand seiner Ray-Ban an.
„Meinen Sie, Sie kommen mit den Änderungen klar?“
Hatte sie eine Wahl? Sie tippte sich mit zwei Fingern gegen die Schläfe und salutierte. „Jawohl, Sir!“
Ein leichtes Lächeln ließ das scharf geschnittene Gesicht Martins weicher wirken. „Ich muss gestehen, ich hatte meine Zweifel, als Rory mir sagte, dass er die Konferenz von der EBS organisieren lassen will. Ich war der Meinung, dass Ihre Firma nicht die Möglichkeiten und Erfahrungen besitzt, um alles in so kurzer Zeit zusammenzubekommen. Bisher haben Sie mich eines Besseren belehrt.“
Caro rutschte unmerklich auf ihrem Stuhl herum. Sie konnte nicht abstreiten, dass der Job einen fetten Profit für EBS einbringen würde. Trotzdem ärgerte sie sich immer noch darüber, dass Burke den Auftrag als Vorwand benutzt hatte, um ein Wiedersehen zu arrangieren, das sie weder erwartet noch gewollt
Weitere Kostenlose Bücher