JULIA VALENTINSBAND Band 21
verwundbar an, dass er nicht widerstehen konnte, sich mit ihrem frischen, betörenden Duft zu betäuben.
Noch ein paar Schritte, und sie bogen um die Ecke. Plötzlich rauschten die Autos an ihnen vorbei. Laternen erhellten die Straßen und vertrieben die düstere Atmosphäre.
„Zivilisation“, murmelte Max, ließ Cari vorsichtig zu Boden und schaute die Straße auf und ab. „Aber immer noch kein Taxi.“
Stattdessen aber mehr Regen. Donner grollte, und der Himmel öffnete seine Schleusen.
„Schnell, hier entlang!“, schrie Max, zerrte an ihr und dem Baby, bis sie beide unter dem Dach einer leeren Bushaltestelle Platz gefunden hatten. Rasch drängten sie sich aneinander, versuchten, außerhalb der Tropfen stehen zu bleiben, während das Wasser wie aus Kübeln auf das gebogene Dach der kleinen Hütte schüttete. Es dauerte ein paar Sekunden, bis Cari merkte, wie dicht sie beieinander standen. Ihre Nase berührte beinahe sein Kinn.
„Oh“, sagte sie und dachte, dass sie sich besser zurückziehen sollte. Es war eine Sache, ihm nahe zu sein, solange er sie auf dem Arm gehalten hatte, aber jetzt kam es ihr unpassend vor.
„Nein.“ Max streckte die Hand aus und zog sie und das Baby dicht an seine Brust. „Sie werden sonst nass.“
„Aber …“ Cari biss sich auf die Lippe. Sie wusste nicht, was sie sagen oder wohin sie schauen sollte.
„Machen Sie sich keine Sorgen“, beruhigte Max sie so leise, dass er im Regen kaum zu verstehen war. „Ich beiße nicht.“
„Wirklich nicht?“, hörte Cari sich sagen und zuckte innerlich zusammen, weil sie wusste, dass es wie ein Flirt klang. Dabei hatte sie nicht die geringste Absicht, mit ihm zu flirten.
Als Max die Mundwinkel amüsiert nach oben zog, starrte Cari in seine dunklen Augen und hatte plötzlich das Gefühl, dass sie den Blick nicht mehr abwenden konnte. Das Geräusch des Regens, die momentane Isolation, die Tatsache, dass sie so dicht aneinandergepresst waren, all das hüllte sie ein wie ein Zauber. Max würde sie küssen. Und wenn sie nicht aufpasste, würde es damit enden, dass sie seinen Kuss erwiderte.
„Nein“, murmelte sie und versuchte, ihren inneren Widerstand zu stärken.
„Doch“, konterte Max und senkte seine Lippen auf ihre.
„Nein“, wiederholte Cari und schüttelte den Kopf.
„Warum nicht?“, hauchte er dicht vor ihr.
„Das Baby …“
„Das Baby schläft. Es kann nichts sehen.“
„Es wäre falsch.“ Cari suchte seinen Blick. „Wir sind sogar im falschen Date.“
„Es ist gar kein Date“, sagte er. Seine Augen wirkten tiefdunkel und rauchig. Es lag irgendetwas Namenloses in ihnen, was ihren Puls zur Raserei brachte. „Es ist eine Begegnung. Ein flüchtiger Augenblick, den wir festhalten sollten.“
Max drückte einen schnellen Kuss auf ihre Lippen. „Und es ist ein Zauber. Morgen früh wirst du alles vergessen haben.“
„Kann ich mir nicht vorstellen“, seufzte Cari. „Sie sollten wirklich nicht …“
„Aber ich will“, widersprach Max heiser. „Du schmeckst so gut.“
Dann senkte er seinen Mund auf ihren und küsste sie, wie sie es noch nie zuvor erlebt hatte.
4. KAPITEL
Im grellen Sonnenlicht des nächsten Morgens wirkte alles wie ein fantastischer Traum. Cari verbarg das Gesicht in ihren Kissen und wünschte sich, dass sie am Abend vorher die Vorhänge vor dem großen Fenster zugezogen hätte. Im Moment fühlte sie sich der Realität noch nicht gewachsen.
Gestern Abend … war das alles wirklich passiert? Ausgeschlossen.
Das Telefon klingelte, aber sie ließ den Anrufbeantworter übernehmen. Ihr Herz klopfte, als sie auf die Stimme wartete, von der sie wusste, dass sie sie gleich hören würde.
„Cari?“
Ja. Es war Max. Sein tiefer Bariton ging ihr durch Mark und Bein. Zitternd atmete sie ein.
„Leg auf“, wisperte sie lautlos.
„Cari? Du bist doch bestimmt zu Hause. Ich würde dich so früh nicht stören, aber ich brauche deinen Rat. Wenn du bitte rangehen würdest …“
Cari wusste, dass sie nicht rangehen sollte. In ihrem halbwachen Zustand stellte sie sich vor, an einer Weggabelung zu stehen. Ihr Leben könnte die eine oder die andere Wendung nehmen, je nachdem, welche Entscheidung sie in den nächsten Sekunden treffen würde.
Im Grunde genommen war ihr klar, was sie zu tun hatte: Sie sollte die Erfahrungen der letzten Nacht als Lektion verbuchen und weitergehen. Sie sollte Max ignorieren, ihr normales Leben wieder aufnehmen und nie wieder mit Märchenprinzen herumspielen,
Weitere Kostenlose Bücher