Julia-Weihnachten Band 23
Milch auf die Kommode und setzte sich ans Fußende von Louellas Bett.
„So“, begann sie. „Wollt ihr mir jetzt erzählen, was vorhin passiert ist? Oder seid ihr zu müde? Wir können es auch auf morgen verschieben.“
Die beiden Mädchen wechselten einen besorgten Blick. Endlich erklärte Justine: „Stella hat behauptet, dass du ihren Daddy geküsst hast!“
Clemmie spürte, wie ihr die Röte in die Wangen schoss. „Und?“
„Hast du?“, forschte Louella nach.
Clemmie schluckte schwer. Sie hatte sich geschworen, ihre Töchter niemals zu belügen. In dieser Situation wünschte sie sich allerdings, sie hätte sich nie etwas derart Kompliziertes vorgenommen. „Ja“, gab sie ruhig zu. „Ich habe Alec geküsst.“
„Dann liebst du ihn also, Mummy?“, erkundigte sich Justine ernst.
Clemmie dachte darüber nach. Wie gern hätte sie ihren Töchtern in die Augen geschaut und ihnen aufrichtig versichert, dass Alec Cutler ihr nichts bedeutete! „Ich … ich mag ihn“, gab sie zögernd zu. Obwohl ich keine Ahnung habe, weshalb ich ihn so sehr mag. „Ich fühle mich zu ihm hingezogen, das will ich gar nicht abstreiten. Aber Liebe ist etwas anderes. Liebe braucht Zeit. Und Vertrauen.“
„Hast du Daddy geliebt?“, fragte Louella wehmütig.
Die unschuldige Frage ihrer jüngeren Tochter trieb Clemmie die Tränen in die Augen. Doch sie riss sich zusammen und bemühte sich, ehrlich zu sein und zugleich Justines und Louellas Bild von ihrem Vater nicht zu beschädigen. „Natürlich habe ich ihn geliebt, mein Schatz. Aber ich war damals sehr, sehr jung – viel zu jung. Ich wusste gar nicht, was Liebe wirklich bedeutet. So früh zu heiraten, auszuwandern und in einem fremden Land zu leben belastet eine Ehe ganz stark.“
„Habt ihr euch deswegen getrennt?“
Clemmie holte tief Luft. Sie konnte die beiden nicht ewig beschützen. Andererseits konnte sie die Vorstellungen ihrer Töchter von ihrem Vater nur bewahren, wenn sie ihnen die schreckliche Wahrheit verschwieg. Wie sollten die Kinder mit der Tatsache fertig werden, dass ihr Vater ein unverbesserlicher Schürzenjäger war? Eines Tages würde sie es ihnen erzählen, aber nicht heute. „In gewisser Weise, ja“, antwortete sie ausweichend. „Wir sind nicht miteinander zurechtgekommen, könnte man sagen. Wir konnten einfach nicht mehr zusammenleben.“
„Aber weshalb besucht Daddy uns nicht mehr?“
„Weil er sehr weit weg wohnt, Schätzchen. Das weißt du doch.“
„Er ist auch nicht oft vorbeigekommen, als wir in seiner Nähe gewohnt haben. Nicht wahr, Mummy?“
Clemmie biss sich auf die Unterlippe. Dies war einer der Gründe gewesen, die ihr Mut gemacht hatten, die Vereinigten Staaten zu verlassen. Die Mädchen hatten ihren Vater sowieso nur selten zu Gesicht bekommen: Wenn Bill also auf einem anderen Kontinent lebte, machte das keinen Unterschied. „Euer Daddy hat inzwischen ein Baby mit seiner neuen Freundin. Er muss sich jetzt um die beiden kümmern, und das ist völlig normal. Wahrscheinlich spart er schon, um euch bald besuchen zu können. Jedenfalls hat er mir das gesagt.“
Rasch wechselte Clemmie das heikle Thema und wandte sich an Justine. „Also, worum ging es bei eurem Streit? Nur um den Kuss zwischen mir und Stellas Vater, den sie beobachtet hat?“
Schweigend schlug ihre Tochter die Augen nieder.
„Justine?“
Justine zupfte verlegen an ihrer Bettdecke. „Sie hat gesagt, dass es nichts bedeuten würde – selbst wenn er dich geküsst hat. Du würdest niemals den Platz ihrer Mummy einnehmen. Ihre Mummy wäre sehr schön gewesen, und Mr. Cutler hätte sie mehr geliebt als alles andere auf der Welt.“
Maggies Worte kamen Clemmie in den Sinn und bestätigten, was Justine gerade gesagt hatte. Keine Frau auf der Welt kann es mit einer toten Ehefrau aufnehmen. Und sie schämte sich dafür, dass plötzliche Eifersucht ihren Körper wie eine Welle durchflutete.
„Ich bin mir sicher, dass Mr. Cutler Stellas Mom sehr geliebt hat“, entgegnete Clemmie ruhig. „Sie ist wirklich sehr schön gewesen. Das weiß ich, weil ich früher mit ihr zur Schule gegangen bin. Sie hatte türkisfarbene Augen und blondes Haar und sah aus wie eine Prinzessin. Stella hat recht. Niemand kann ihren Platz einnehmen. Und was mich betrifft: Das möchte ich auch gar nicht.“ Als Clemmie bemerkte, dass die Milch allmählich abkühlte, griff sie nach den beiden Tassen und reichte sie Justine und Louella. „Und jetzt trinkt und legt euch anschließend
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