JULIA WEIHNACHTSBAND Band 22
Monaten zurück.
Hätte sie damals genügend Stolz sowie Verstand besessen, wäre es niemals zu einem ersten Date mit Rocco Volpe gekommen.
3. KAPITEL
Mit siebzehn hatte Amber in einem Buchhalterbüro zu arbeiten begonnen. Dankbar hatte sie das Angebot angenommen, von der Arbeit freigestellt zu werden und eine Abendschule zu besuchen, um sich weiterzubilden. Vier Jahre war sie dort geblieben. Mit einundzwanzig hatte sie sich erfolgreich um eine Stelle bei der Handelsbank Woodlawn Wyatt beworben und war stellvertretende Leiterin in der Buchhaltung geworden. Ihr Gehalt hatte sich über Nacht verdoppelt.
„Sie sind eine reine Quotenfrau“, hatte ihr Abteilungsleiter herablassend erklärt.
Amber war es egal gewesen, dass sie mit einem männlichen Dinosaurier zusammenarbeiten musste, der sich ärgerte, dass seine eigene Bewerbung übergangen worden war. Endlich hatte sie den Fuß auf eine viel versprechende Karriereleiter gesetzt, mit der Aussicht auf regelmäßige Beförderungen. Glücklich hatte sie lange Überstunden auf sich genommen. Arbeit, Arbeit, Arbeit, mit wenig Zeit für Freunde oder einen Mann – das war ihr Leben gewesen. Nacht für Nacht war sie erschöpft ins Bett gesunken, getrieben von dem verzweifelten Bedürfnis, sich selber etwas zu beweisen und auf keinen Fall zu scheitern.
Rocco Volpe hatte sie auf einer großen Party kennengelernt, die Woodlawn Wyatt für ihren scheidenden Hauptgeschäftsführer gab. Mit einem unerschütterlichen Lächeln hatte sie während der Reden dagesessen und heimlich einen Zeitplan für die Vorbereitung ihres nächsten Examens auf einer Serviette aufgestellt. Sie hatte Rocco, der am Haupttisch saß, nicht einmal wahrgenommen. Als die Lichter gedämpft wurden und die Gäste zu tanzen begannen, hatte sie ihre pflichtgemäße Anwesenheit beenden und heimgehen wollen.
„Möchten Sie tanzen?“
Rocco war wie aus dem Nichts an ihrer Seite aufgetaucht. Amber hob verblüfft den Kopf und wunderte sich, welche Wirkung seine schönen goldbraunen Augen auf sie hatten. „Entschuldigung … Wen meinen Sie?“, murmelte sie und kam gar nicht auf den Gedanken, dass sie selber es sein könnte.
„Sie“, erklärte Rocco freundlich.
„Ich tanze nicht. Ehrlich gesagt, ich wollte gerade gehen.“
„Nur einen Tanz.“
„Ich habe zwei linke Füße“, gestand sie und merkte, dass sie rot wurde. „Hat einer meiner Kollegen sich diesen Scherz mit Ihnen erlaubt?“
„Weshalb sollte das jemand tun?“
Ambers Aufgabe in der Firma bestand unter anderem darin, die betrieblich veranlassten Ausgaben ihrer Kollegen streng zu kontrollieren. Dass sie ständig Quittungen und Erklärungen für ungewöhnlich hohe Beträge anfordern musste, hatte sie bei den leitenden Angestellten nicht gerade beliebt gemacht. Es war eine unangenehme Tätigkeit. Aber sie würde diesen Posten nicht ewig behalten, sagte sie sich.
Verlegen wegen des geringen Selbstbewusstseins, das sie mit ihrer törichten Frage bewiesen hatte, ergriff Amber Roccos Hand und stand auf. Im selben Moment geriet ihre sichere Welt ins Taumeln und Wanken und wurde zu einem nicht wiedererkennbaren Ort voller unerwarteter Farben und Gefühle. Nichts, was sich daraufhin ereignete, hatte sie noch unter Kontrolle. Kurz nach Mitternacht verließ sie gemeinsam mit Rocco die Party und bemerkte die schockierten Blicke, die ihr folgten. Doch es war, als hätte Rocco sie mit einem Bann belegt.
Zur Lunchzeit am nächsten Tag war sie immer noch mit ihm zusammen gewesen.
„Was hat dich eigentlich zu mir hingezogen?“, hatte sie Rocco einmal verblüfft gefragt.
„Vielleicht ertrug es mein Stolz nicht, von der einzigen Frau im Saal nicht beachtet zu werden, die sich anzusehen lohnte.“
„Ernsthaft …“
„Du hattest deine Schuhe unter dem Tisch ausgezogen, und du hast so niedliche kleine Füße. Ich wurde ganz schwach vor Lust …“
„Rocco!“
„Ein Blick zu dir genügte, und ich wollte dich an mein Bett fesseln – Tag und Nacht.“
War sie etwas erfrischend Neues für den weltgewandten Mann gewesen, der erheblich erfahrenere Frauen gewöhnt war? Amber kehrte in die Gegenwart zurück, parkte ihren Wagen hinter dem großen allein stehenden Haus ihrer Schwester und trat ein. Wie so häufig in letzter Zeit, waren ihre Schwester und ihr Schwager in London, um abends mit Freunden auszugehen. Sie würden erst spät in der Nacht zurückkehren. Amber hatte sich bereit erklärt, als Babysitter einzuspringen, weil Gemma heute Abend
Weitere Kostenlose Bücher