JULIA WEIHNACHTSBAND Band 22
freihatte.
Das rothaarige Kindermädchen saß mit den Kleinen im luftigen Wintergarten. Ambers zweijährige Nichte Chloe trommelte heftig auf ein elektronisches Spielzeug ein, während Freddy wie verzaubert von dem Krach und den blinkenden Lichtern dasaß.
Freddy … Abgesehen von seiner Haarfarbe war er die Miniaturausgabe von Rocco. Er hatte schwarzes Haar, große dunkle goldbraune Augen und olivfarbene Haut. Lächelnd betrachtete Amber ihren kleinen Sohn, und ihre Augen begannen plötzlich zu brennen. Sie liebte Freddy so sehr. Er streckte ihr sofort die Ärmchen entgegen, damit sie ihn aufhob.
Gemma begrüßte Amber und versuchte gleichzeitig, Chloe von ihrer ohrenbetäubenden Beschäftigung abzulenken. Amber hockte sich hin und nahm Freddy auf. In etwas über einer Woche, am ersten Weihnachtstag, würde ihr Sohn ein Jahr alt werden. Sie atmete den warmen vertrauten Duft seines Haars tief ein, drückte seinen kleinen festen Körper eng an sich und war froh, dass sie ihn die nächsten vierundzwanzig Stunden nicht zurück in ihr Häuschen bei den Wintons bringen musste.
„Du bist so still. Sag ja nicht, dass du immer noch sauer bist, weil dein Wagen nicht anspringen wollte“, kritisierte Neville am nächsten Morgen, während er Amber im kopfsteingepflasterten Innenhof des Landhauses der Wintons absetzte. „Spätestens heute Mittag läuft die alte Karre wieder. Versprochen. Einer meiner Werkstattleute wird ihn zu dir hinausbringen.“
Amber trug ein elegantes schwarzes Designerkleid, das sie sich leihweise aus dem Reinigungssack ihrer Schwester genommen hatte. Bei all der Aufregung wegen Rocco hatte sie völlig vergessen gehabt, ein paar Sachen für ihre Übernachtung und den nächsten Tag einzupacken. Rasch stieg sie aus dem Mercedes-Sportwagen ihres Schwagers und lächelte gequält. „Danke. Als wäre es nicht schon schlimm genug, dass ich dich an einem Samstagmorgen aus dem Bett zerren muss, damit du mich zur Arbeit fährst. Jetzt verderbe ich dir auch noch den restlichen Tag, indem ich dich zwinge, den Automechaniker für mich zu spielen.“
Der ältere Mann lächelte freundlich. „Lass nur, Amber. Ich bin nie glücklicher, als wenn ich mit dem Kopf unter einer Motorhaube stecke.“
Ja, sicher, dachte Amber nicht sehr überzeugt, während Neville wieder davonfuhr. Das mochte zutreffen, wenn es sich um ein Luxusmodell handelte. Doch sie konnte sich unmöglich vorstellen, dass ein so erfolgreicher Unternehmer wie ihr Schwager begeistert an einer alten Schrottmühle herumschraubte. Barfuß, weil sie ihre schlafende Schwester auf der Suche nach Schuhen und frischer Unterwäsche nicht hatte stören wollen, und eine schwere Tragetasche mit den Kleidungsstücken vom gestrigen Tag über dem Arm, kramte Amber nach dem Haustürschlüssel.
Ihr Herz blieb beinahe stehen vor Schreck, als ein leises Geräusch ihr verriet, dass sie nicht allein war. Ihr Kopf fuhr in die Höhe, und sie entdeckte zu ihrer Verblüffung Rocco, der aus dem Schatten hinter einem der offenen Torbögen trat. Mit seinem lässig eleganten graubraunen Kaschmirjackett sowie seinem vom Wind zerzausten blonden Haar, das sein unglaublich attraktives Gesicht umspielte, riss er Amber in einen verheerenden Strudel der Gefühle.
„Es ist also wahr“, stellte Rocco grimmig fest. „Du hast dir einen Mann mittleren Alters mit Mercedes geangelt.“
Amber ließ die Hand wieder sinken, mit der sie die Haustür hatte aufschließen wollen. „Was t-tust du hier zu dieser f-frühen Stunde?“, stotterte sie mit großen Augen und versuchte zu begreifen, was er gerade zu ihr gesagt hatte.
Rocco lachte freudlos. „Du solltest wissen, dass ich niemals lange im Bett liege, es sei denn, ich habe Gesellschaft.“
„Es ist noch nicht einmal acht Uhr!“ Amber wusste selber nicht, weshalb sie auf der Uhrzeit beharrte. Sie war so erschrocken über Roccos plötzliches Auftauchen und ihre Unfähigkeit, den Blick von seinem schönen Gesicht zu wenden, dass sie nicht klar denken konnte.
„Ich habe auf dich gewartet, denn ich wollte wissen, ob das, was Kaye Winton gestern nach dem Abendessen über dich erzählt hat, nur ein übler Scherz war“, stieß Rocco tonlos hervor. Sein Blick glitt über ihr kurzes enges Kleid und blieb ungläubig an ihren nackten Beinen und Füßen haften. „ Dio mio … Der Kerl wirft dich mitten im Winter halb nackt aus seinem Wagen. Wo bist du gewesen? In einem Puff?“
Amber zitterte vor Kälte und blieb wie angewurzelt stehen.
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