JULIA WEIHNACHTSBAND Band 22
Kontrolle verlor. Er wandte sich von Sophie ab. Sein Blick fiel auf Nick. Auch wenn er ernst dreinschaute, hätte Bram schwören können, ein verhaltenes Grinsen auf dessen Miene zu entdecken. Er sah, wie Nick die Brauen hob und Sophie einen Blick zuwarf, in dem Heiterkeit und Nachsicht lagen. Er scheint zu wissen, dass Sophie mich nur geküsst hat, um ihm etwas zu beweisen, dachte Bram wütend.
War das wirklich der Grund gewesen? Er sah zu Sophie und registrierte, wie sie Nicks Blick auffing und dann errötend zur Seite sah.
Also war es tatsächlich so. Er spürte die Enttäuschung wie einen scharfen Schmerz. Was hatte er denn erwartet? Nur weil er sich in Sophie verliebt hatte, hieß das noch lange nicht, dass auch ihre Gefühle für Nick sich verändert haben mussten. Wider alle Vernunft hatte er gehofft, dass es so wäre. Aber wie es aussah, war sie noch genauso eng mit ihm verbunden wie früher. Bram und sie hatten sich beide als zweite Wahl akzeptiert, das durfte er nicht vergessen. Und es war nicht Sophies Schuld, dass es ihm jetzt nicht mehr genügte.
Harriet ging inzwischen geschäftig hin und her, um jedem ein Glas Champagner zu reichen, ehe Joe einen Toast auf das glückliche Paar aussprach.
Sophie hörte kaum, was ihr Vater sagte, weil ihr Blut durch die Adern rauschte und ihr Herzschlag laut in ihren Ohren dröhnte. Sie setzte ein breites Lächeln auf, während ihr ganzer Körper noch vor Verlangen brannte.
Nach Brams süßem, erregendem Kuss war Nicks Blick für Sophie wie ein Schlag ins Gesicht gewesen. Erst da wurde ihr wieder bewusst, dass sie ihm mit diesem Kuss nur etwas hatte beweisen wollen. Jetzt fühlte sie sich elend und schämte sich zutiefst.
Dabei hatte der Kuss Nick noch nicht einmal überzeugt. Sein amüsierter Blick hatte deutlich gezeigt, dass er die Absicht dahinter erkannt hatte.
Sie musste wohl überzeugend gelächelt und das Richtige gesagt haben, weil niemand außer Nick Verdacht zu schöpfen schien. Alle benahmen sich völlig normal.
Oder vielleicht doch nicht alle.
Sophie erkannte, dass dieser Eindruck täuschte, als sie beim Essen saßen. Ihre Eltern verhielten sich wie sonst auch. Ihr Vater versteckte seine Zuneigung hinter einem barschen Ton, während ihre Mutter den Erfolg ihrer Familienfeier mit einem strahlenden Lächeln unterstrich. Trotzdem hing eine gewisse Spannung in der Luft.
Obwohl Bram sich freundlich mit ihrer Mutter und Melissa unterhielt, lag ein grimmiger Zug um seinen Mund, der Sophie gar nicht gefiel. Seine Schultern wirkten angespannt, und als sie beruhigend ihre Hand auf seinen Rücken legte, hatte sie das Gefühl, kaltes Eisen zu berühren. Auch wenn er lächelte und sich normal unterhielt, spürte sie doch eine neue Distanz in ihm.
Hatte er vielleicht nicht gewollt, dass sie ihn küsste? Er musste doch gewusst haben, dass die Familie an diesem Abend erwartete, dass sie zärtlich und liebevoll miteinander umgingen. Oder war es für ihn einfach nur schwerer zu ertragen als angenommen, Melissa so nah zu sein?
Melissa schien unter seiner Aufmerksamkeit regelrecht aufzublühen. Sophie hatte bis jetzt noch keine Gelegenheit gehabt, ausführlich mit ihrer Schwester zu sprechen, aber sie spürte, dass auch sie nicht entspannt war. Sie war freundlich und charmant wie immer, doch als Sophie sie näher betrachtete, bemerkte sie einen traurigen, vielleicht auch gehetzten Zug um die schönen violetten Augen. Irgendetwas stimmte nicht, das war offensichtlich.
Nick, der sich gegenüber von Sophie lässig in seinem Stuhl zurückgelehnt hatte, ignorierte seine wunderschöne Frau. Stattdessen schien er viel mehr Vergnügen daran zu finden, Sophie mit unverhohlener Bewunderung zu betrachten, während er ihr ausgesuchte Komplimente machte.
Er glaubt immer noch, dass ich ihn liebe, wurde Sophie bewusst. Er denkt, dass ich dieses Kleid seinetwegen trage.
Hatte er vielleicht sogar recht? Mit der ihr eigenen Ehrlichkeit überlegte sie, ob sie ihm unbewusst hatte zeigen wollen, was er verloren hatte. Damit er bedauerte, sie verlassen zu haben. Hatte er tatsächlich noch so sehr ihre Gedanken beherrscht? Allein diese Vorstellung war demütigend, auch wenn Sophie jetzt, nach dem Wiedersehen, wusste, dass er ihr nichts mehr bedeutete.
Früher hätte sie ob seiner ungeteilten Aufmerksamkeit gestrahlt, doch jetzt fühlte sie sich unbehaglich und versuchte immer wieder, die anderen in ein Gespräch zu verwickeln.
„Wie ich hörte, wart ihr im Urlaub“, sagte sie
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