JULIA WEIHNACHTSBAND Band 22
betrachtete er ihre blonden Locken und hätte gern mit den Fingern darübergestrichen.
Schweigend gingen sie gemeinsam den Flur entlang. Jodie entschied sich für ein Sandwich mit Käse und Salat und ein Mineralwasser. Sam nahm nur einen Kaffee.
„Bist du auf dem Gesundheitstrip?“, neckte er sie und deutete auf das Vollkorn-Sandwich.
„So in der Art“, entgegnete sie knapp. „Lass uns über Caitlin sprechen.“
Abwartend sah er sie an.
„Ich hatte bisher erst mit ganz wenigen Fällen von Skoliose zu tun“, erklärte Jodie. „Ich wollte mit dir besprechen, welche Behandlungsmöglichkeiten wir bei Caitlin haben, bevor ich mit ihren Eltern rede.“
„Was hast du ihnen bis jetzt gesagt?“
„Dass sie eine Verkrümmung der Wirbelsäule hat, eine Skoliose, und dass bisher niemand genau weiß, wodurch diese Krankheit ausgelöst wird. Wir haben zweimal Röntgenbilder von Caitlins Rücken gemacht, und es steht fest, dass die Krankheit fortschreitet.“
„Wenn wir Caitlin nicht behandeln, wird ihre Wirbelsäule mit Mitte dreißig vermutlich vollkommen verformt sein“, erwiderte Sam. „Wie schlimm ist ihr Zustand?“
„Zu erkennen ist die Verformung im Bereich der Brustwirbel. Die Krümmung liegt im Moment noch am Grenzwert, doch die Röntgenbilder zeigen eindeutig einen Fortschritt der Krankheit. Wenn die Verformung schlimmer wird, bekommt sie Probleme mit der Atmung.“
„Wie alt ist sie?“
„Knapp zwei.“
Sam sah sie nachdenklich an. „Die Operation ist schwierig. Vielleicht könnten wir zunächst beobachten, wie schnell die Skoliose fortschreitet, und versuchen, Caitlin mit Physiotherapie zu helfen. Eine weitere Möglichkeit wäre ein Stützkorsett.“
„Was würdest du …“, Jodie wurde vom Knall eines umstürzenden Stuhls unterbrochen.
Als sie sich umdrehte, sah sie eine Frau vor einem kleinen Jungen knien.
„Adam, Adam … Er atmet nicht mehr“, schrie die Frau verzweifelt.
Mit schnellen Schritten war Sam bei ihr und untersuchte den Jungen mit geübtem Blick. „Er hat einen allergischen Schock“, erklärte er.
Jodie rannte zum Telefon, um auf der Station anzurufen. „Wir haben einen allergischen Schock in der Kantine. Wir brauchen eine Injektion, am besten auch Sauerstoff.“
Wenige Minuten später kehrte sie mit der notwendigen Ausstattung zu Sam zurück, der den Jungen inzwischen beatmete.
„Soll ich dich ablösen, während du ihm die Injektion gibst?“
Sam nickte. „Komm schon, Adam, atme wieder“, sagte er, während er die Spritze setzte.
Es schien eine Ewigkeit zu dauern, doch endlich begann der Kleine wieder selbst Luft zu holen. Jodie sah Adams Mutter an, die leichenblass auf dem Boden hockte, während Tränen über ihre Wangen liefen. Jodie nahm ihre Hand. Sie war eiskalt.
„Ihr Sohn hat sich den besten Platz für seine allergische Reaktion ausgesucht“, sagte sie lächelnd. „Schneller als hier wäre ihm nirgends geholfen worden.“ Sie blickte die Frau aufmunternd an. „Hatte er das schon öfter?“
Adams Mutter schüttelte den Kopf. „Manchmal sind seine Augen geschwollen, und dann bekommt er schlecht Luft. Aber ich habe das nie so ernst genommen, es ging immer schnell wieder vorbei.“
„Sie wissen also nicht, worauf er so heftig reagiert?“, erkundigte sich Sam.
„Nein. Er hat nur einen Saft getrunken und Kekse gegessen“, erwiderte die Frau.
Sam griff nach der leeren Kekspackung und las die Liste der Inhaltsstoffe. „Ich tippe auf eine Allergie gegen Erdnüsse“, vermutete er dann. „Aber wir müssen es genau testen.“
Der Junge atmete inzwischen wieder regelmäßig, doch sein Gesicht war noch geschwollen.
„Wir nehmen ihn mit auf die Station und behalten ihn im Auge“, bestimmte Sam. „Warum ist er eigentlich hier?“
„Wir wollten nur meine Mutter besuchen, sie liegt in der Chirurgie. Adam hatte solchen Hunger, deshalb haben wir die Kekse gekauft.“ Wieder traten ihr die Tränen in die Augen. „Ich hätte niemals geglaubt, dass so etwas passieren kann.“
Sam war darauf konzentriert, den Puls des Jungen zu kontrollieren. Jodie warf ihm einen kurzen Seitenblick zu, dann tröstete sie selbst Adams Mutter. „Es sah erschreckender aus, als es war“, versicherte sie. „Entschuldigung, ich habe Sie noch gar nicht nach Ihrem Namen gefragt.“
„Mandy Kinnerton“, stellte sich Adams Mutter vor.
„Ich bin Dr. Price, und das ist Dr. Taylor. Wir sind Kinderärzte, Adam ist bei uns in guten Händen“, erklärte Jodie. „Er hat
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