Julia Winterträume Band 8 (German Edition)
nicht, aber da gibt es ein Testament mit gewissen Bedingungen. Estes sagte, er habe Ihnen alles erklärt, und Sie hätten es akzeptiert.“
„Aber das ist es ja! Niemand hat mir eine Wahl gelassen. Deshalb will ich ja …“
Der Rest ihres Satzes ging in dem Donnern eines vorbeifahrenden Lkws unter, dessen Scheinwerfer das Wageninnere kurz erhellten. Und Jake konnte zum ersten Mal einen Blick auf Catarina Mendes’ Gesicht werfen.
Sie war eine Schönheit.
Ihr Gesicht war nicht knochig, es war vornehm schmal. Eine gerade Nase und hohe Wangenknochen. Augen mit der Farbe schwarzen Kaffees, ein Mund mit rosigen, vollen Lippen, die sicherlich noch nie Make-up berührt hatte. Und schon gar kein Mann.
Sein Blick glitt tiefer. Dieser grässliche braune Sack, den sie da trug, wurde durch den Sicherheitsgut an ihren Körper gedrückt, und durch die Art, wie sie saß, nahm er den schlanken Hals wahr, ebenso wie die vollen, festen Brüste.
Jake verspürte ein Ziehen in seinen Lenden. Wohin war die graue Maus verschwunden?
„Ich kenne das Testament meiner Eltern“, sagte sie jetzt. „Wollen Sie mich wirklich zwingen, einen Mann zu heiraten, den ich nicht liebe?“ Sie legte ihm eine Hand auf den Arm und beugte sich mit bebenden Lippen und tränenglitzernden Augen vor. „Sie brauchen mich nur bis nach Rio mitzunehmen und mir für die nächsten zwei Monate Geld zum Leben zu leihen. Dann können Sie Estes anrufen, ihm sagen, ich sei gut verheiratet. Ich bekomme mein Erbe, zahle Ihnen meine Schulden zurück, und niemand wird je dahinter kommen.“
„Miss Mendes, Estes wird einen Beweis verlangen.“
„Ihnen fällt schon was ein. Ich bin sicher, dass Ihnen etwas einfällt. Bitte“, flüsterte sie, „ich flehe Sie an. Helfen Sie mir.“
Er wollte es. Welcher Mann würde das nicht tun? Vielleicht funktionierte es ja. Sie in Rio absetzen, ihr etwas Geld überlassen, eine Weile warten, dann Estes kontaktieren und ihn irgendwie überzeugen, dass die Testamentsbedingungen erfüllt waren …
Und vielleicht hatte er jetzt den Verstand verloren! Ein alter Fuchs wie Javier Estes ließ sich nicht so leicht täuschen! Das musste er ihr klarmachen.
„Senhor? Werden Sie mir helfen?“
Jake räusperte sich. „Ich wünschte, ich könnte es, aber …“
„Was zahlt Estes Ihnen?“
Die scharfen Worte passten genau zu ihrem Aussehen. Innerhalb von Sekundenbruchteilen hatte sich ihre Haltung verändert. Ihre Augen glänzten immer noch, aber jetzt vor aufflackernder Wut. Sie zog ihre Hand von seinem Arm zurück, als hätte sie in eine Kuhle voller Maden gefasst.
Jake kniff fassungslos die Augen zusammen. „Sie glauben, ich tue das hier für Geld?“
„Wie viel?“, wiederholte sie. „Ich verdopple die Summe.“
In diesem Moment wurde Jake klar, dass man ihn hereingelegt hatte. Das war kein folgsames Mädchen, das hier war eine Frau. Mutter Elisabete und Javier Estes hatten ihm eine heiße Kartoffel zugeworfen.
Sein erster Impuls war, den Wagen zu wenden und Catarina Mendes zum Kloster zurückzubringen. Sollten sie doch selbst einen Ehemann für die Lady besorgen!
Und dann? Was würde er dann tun? Nach Rio zurückkehren? Marin beauftragen, vor Gericht zu gehen? Auch wenn er von vornherein wusste, dass keine Chance bestand, das Testament anzufechten? Den Rest seines Lebens damit zubringen, jedem Mann, der ihm auch nur entfernt ähnlich sah, nachzustarren und sich zu fragen, ob das vielleicht ein Blutsverwandter von ihm sei?
Catarina hob das Kinn. „Nicht genug? Also gut, ich verdreifache …“
„Mir geht es nicht um Geld.“
„Das glaube ich Ihnen nicht. Warum sonst sollten Sie …?“ Sie schnappte nach Luft, als er sie bei den Schultern packte.
„Niemand kann mich kaufen, Miss Mendes“, sagte er schneidend. „Je eher Sie das begreifen, desto besser. Und ich werde tun, was ich tun muss.“
Sie kniff die Augen zusammen, stieß ein portugiesisches Wort aus, und Jake lächelte grimmig.
„Wie immer Sie mich gerade genannt haben, es trifft exakt zu. Ich bin ein Mistkerl, ein skrupelloser Schuft, Ihr schlimmster Albtraum … und was Ihnen sonst noch einfällt. Sie werden die nächsten zwei Monate leben, wo ich Sie unterbringe, Sie werden tun, was ich Ihnen sage, und Sie werden diese bissige Zunge im Zaum halten und die Männer bezaubern, die ich Ihnen vorstelle. Haben Sie das verstanden?“
Oh ja, sie hatte verstanden. Mutter Elisabete und der Anwalt hatten sie an ein Monster weitergereicht. Er sah vielleicht
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