Julians süßes Blut (German Edition)
Mitglied der Familie nach dem anderen war von einem unerklärlichen Fieber dahingerafft worden, das mit Halluzinationen einherging. Der erste, der starb, war Maudes und Alexanders Vater, danach starben alle Brüder. Und nachdem nur noch Alexander lebte, war er der rechtmäßige Erbe dieses Anwesens. Aber offensichtlich hatte er kein Interesse daran. Er war wohl mehr ein Hallodri, obwohl er nie in Geldproblemen zu sein schien. Maude schrieb, daß er niemals um Geld bat.«
»Vielleicht hätte er auch keines bekommen«, mutmaßte Alexander. »Maude heiratete William de Oaksley – und den konnte Alexander nicht ausstehen. Hat sie nichts davon geschrieben? Es heißt, Oaksley habe sich an Alexander vergriffen, als dieser noch sehr jung war.«
»Nein, davon steht nichts in ihren Briefen«, sagte Jennifer erstaunt. »Sicher, William de Oaksley war ein häufiger Gast Maudes und Alexanders Vater. Das ist bekannt.«
»Aber niemand wußte von seiner Vorliebe für Knaben?«
»Nein, davon steht nirgends etwas geschrieben. Woher weißt du es?«
»Ich habe natürlich auch etwas Ahnenforschung betrieben. Und diese Geschichte ist absolut wahr. Ich schwöre es, liebe Jennifer.«
Jennifer seufzte theatralisch. »Das wird ja immer wilder. Dann ist Alexander als Kind mißbraucht worden?«
»Damals sah man solche Sachen nicht so eng. Viele Adelige hielten sich sogenannte Lustknaben«, warf Brian ein. »Und selbst, wenn es bekannt war, dann hatte der alte Dahomey sicher kein Interesse an einem kleinen Krieg gegen seinen Nachbarn. Und Alexander soll ja auch nicht gerade sein Lieblingskind gewesen sein.«
»Na, vielleicht erklären diese ganzen Umstände die unglückliche Liebe zu seiner Schwester.«
»Sie war nur seine Halbschwester. Ihre Mutter war eine Dienstmagd, die von mei... ähm – de Dahomey geschwängert wurde.«
Brian warf Alex einen scharfen Blick zu. Er durfte sich auf gar keinen Fall zu sehr in die Geschichte hineinsteigern.
»Ja, das ist mir bekannt.« Jennifer sah ihn nachdenklich an. »Was meinst du – war Alexander ein liebenswerter Mensch? Ich meine, er sah unglaublich gut aus, aber auf dem Gemälde hat er so eine – ich weiß nicht genau... eine teuflische Ausstrahlung. Findest du nicht auch?«
Alex schaute sie einen Moment an, dann lachte er. »Nein, ich habe das nicht so empfunden. Ich glaube, er war ein ganz netter Kerl, der aufgrund einiger seltsamer Umstände dieses Leben geführt hat.«
»Also, nach allem, was ich so über Alexander weiß, kann ich mich Alex’ Meinung nur anschließen«, sagte Brian und verkniff sich ein Lachen.
»Aber wenn er so ein netter Kerl war, warum hat er seine Schwester Maude zum Beispiel nur nach Einbruch der Dunkelheit besucht?« fragte Jennifer und runzelte die Stirn. »Es scheint doch so, als hätte er etwas zu verbergen gehabt. – Und diese merkwürdige Wunderheilung seiner Schwester Marian. Also ich glaube, da steckt noch ein ganz anderes Geheimnis hinter.«
»Gibt es denn in diesem Haus keine anderen Aufzeichnungen, als die von Maude?« fragte Alex.
Jennifer schüttelte den Kopf. »Erst sehr viel später fingen unsere Vorfahren an, Tagebuch zu führen und da war Alexander de Dahomey kein Gesprächsthema mehr.« Jennifer lachte. »Nur noch als Verwandter in den USA.« Wieder runzelte sie ihre Stirn. »Haben alle deiner männlichen Vorfahren Alexander geheißen?«
»Ja, das sieht fast so aus«, antwortete Alex ruhig. »Merkwürdig, nicht wahr?«
»Ja, allerdings. Aber bestimmt nicht die einzige Merkwürdigkeit in dieser Familie.«
Auf dem Heimweg begann Brian plötzlich zu lachen. Ich starrte ihn an. »Das war ja einige Male haarscharf«, rief er fröhlich. »Aber du hast dich unheimlich gut gehalten.«
Ich lächelte. »Yes, sir. Aber nicht so gut, als daß ich sie zu mir einladen wollte.«
»Meinst du nicht, daß sie es als Unhöflichkeit betrachtet?« fragte Brian und strich sich mit einer Hand die Haare aus dem Gesicht.
»Möglich ist das. Aber in meinem Haus gibt es zu viele Dinge, die Jennifer neugierig machen könnten. Kann ich nicht riskieren.«
»Aber die Kleine, Jessica, die wirst du einladen?« Brian sah mich scharf an.
Ich lachte leise. »Was denkst du bloß von mir?«
»Ich denke nichts, ich habe dich beobachtet. Sie ist dir so ähnlich – kann mir nicht vorstellen, daß du sie jetzt einfach vergißt. Außerdem hast du ihr versprochen, daß ihr euch wiederseht.«
»Ja«, sagte ich lang. »Aber ich dachte eigentlich, daß ich sie dort noch
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