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Julias Geheimnis

Julias Geheimnis

Titel: Julias Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Hall
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verändert.
    Andrés sah zu, wie Ruby zur Beifahrerseite ging. Man konnte nur ahnen, was sich vielleicht unter der Oberfläche verbarg.
    Ruby trug einen roten Fleecepullover, Bluejeans und dieselben geschnürten Wanderstiefel, die er schon einmal an ihr gesehen hatte. Ihr Outfit war einfach und unkompliziert.Genau die Art von Mädchen, die er mochte. Obwohl sie das nicht war   – einfach oder unkompliziert. Und sein Mädchen war sie natürlich auch nicht.
    »Hi.« Sie stieg in den Wagen und lächelte. Das war eindeutig ein gutes Zeichen. Andrés hatte sich Sorgen gemacht, sie könnte absagen; bestimmt hatte sie Bedenken bekommen. Er neigte selbst dazu, daher konnte er so etwas gut verstehen. Und Entscheidungen, die man bei einer Einladung nach mehreren Gläsern Wein traf, waren nicht immer die besten. Aber eine Absage war heute für ihn keine Option gewesen. Er hatte sich wirklich darauf gefreut, dieses Mädchen wiederzusehen. Auch heute trug sie wieder ihren unverkennbaren roten Lippenstift, und auch heute wirkte sie wieder leicht gehetzt, was ihm schon bei Gez und Tina aufgefallen war. Aber wenigstens war sie hier.
    »Hallo, Ruby.« Andrés wollte sich erst wegen des Lieferwagens entschuldigen, entschied sich dann aber dagegen. Er war, was er war. Nachdem er in den Spiegel gesehen hatte, blinkte er und fuhr los. Er würde mit ihr nach Langdon Woods und zum goldenen Kap fahren. Heute war der perfekte Tag dazu.
    In den Wäldern war der Boden feucht, aber nicht matschig, und natürlich waren die Glockenblumen lange verschwunden. Man konnte ihr dichtes Blattwerk an den hohen Ufern des Hollow sehen, und es überzog den Waldboden dahinter mit einem üppigen grünen Federbett. Der Duft der schattigen Wälder und süßen Baumharze erfüllte die Luft, und die Sonne schien durch das Laub der Bäume und zeichnete löchrige Muster auf den Weg vor ihnen.
    »Erzählen Sie mir von Ihrer Insel«, sagte Ruby.
    Und so erzählte er ihr, während sie den breiten Weg am Hollow entlanggingen, vom Zuhause seiner Kindheit. Von dem blauweißen Steinhaus, in dem er aufgewachsen war, dem Atelier seines Vaters und dem Land dahinter, auf dem sie Gemüse angebaut und zwei Ziegen gehalten hatten, jedenfalls damals, als er ein Kind war. Er erzählte ihr von dem Surfstrand, hinter dem sich die sanften, purpurfarbenen Hügel   – die morros   – erhoben, und vom alten Hafen und der Bucht. Er beschrieb die Kargheit der Insel, die calima   – den heißen Wüstenwind aus der Sahara   –, die ruhigen, bestellten Täler und die einsamen Bauernhöfe, die Palmen und Tamarisken, die barrancos genannten Trockentäler, die sich bei Regen in reißende Sturzbäche verwandeln, und die Barbary-Atlashörnchen. Andrés war selbst erstaunt, wie viel es zu erzählen gab. Und während er sprach, sah er den hellen Sand und die türkisblauen Lagunen vor sich, die tiefblauen und weißen Wellen der Playa del Castillo, die sanfte Mondlandschaft der pilzförmigen Berge, den schwarzen Vulkanfels, das giftig gelbe Licht des Spätnachmittags. Die Farbpalette der Insel leuchtete vor seinem inneren Auge auf, und er sehnte sich danach, sie zu malen.
    »Wie haben Sie es geschafft fortzugehen?«, fragte Ruby. »Das klingt wunderbar.« Ein Schauer überlief sie. Der Tag war sonnig, doch in den Wäldern war es kühl und schattig.
    Er lächelte. Es stimmte, England konnte feucht, kalt und grau sein. Er hatte sich immer noch nicht ganz daran gewöhnt. Wie hatte er weggehen können? Was sollte er ihr sagen? »Wenn man jung ist, kann einem die Insel wie ein Gefängnis vorkommen«, antwortete er, und es war nicht gelogen. Isabella und er hatten oft darüber gesprochen, dass sie weggehen würden: nach Paris, Barcelona oder London. Aber er warvertrieben worden, während Isabella immer noch dort lebte und heute fest auf der Insel verwurzelt war, von der sie hatte fliehen wollen.
    »So, wie die Kirschen in Nachbars Garten immer süßer sind?«, fragte Ruby.
    »Gut, wenn man wenigstens einen Garten hat«, sagte er. »Auf Fuerte hatten wir nicht viel.«
    Sie lachte, und ihm gefiel es, sie zum Lachen zu bringen.
    »Aber es ist immer noch Ihre Heimat?«, fragte sie. Sie fuhr mit den Fingern durch ihr kurzes blondes Haar. Es sah fluffig und stachlig zugleich aus, dachte er. Ob es sich weich anfühlen würde? Er glaubte schon.
    »Tja   …« Sie blieben stehen, um die Aussicht zu genießen. Von hier aus sah man über die Felder, Hecken und Natursteinmauern bis nach Seatown und zum Meer.

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