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Julias Geheimnis

Julias Geheimnis

Titel: Julias Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Hall
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an den Ständen vorbeischlenderten   – Antiquitäten, Krimskrams, Vintage-Kleidung und -Schmuck, Beetpflanzen, Kräuter und hausgemachtes Curry   –, versuchte Ruby, Mel zu erklären, wie sie sich gefühlt hatte, nachdem Frances ihr alles erzählt hatte. So, als hätte ein Tornado sie ergriffen und in immer schnelleren Kreisen gedreht, bis sie nicht mehr wusste, wo sie war oder was sie dachte, und erst recht nicht, was sie fühlte.
    »Und was ist mit dem Brief von deiner Mutter?« Mel nahm einen Messingtürstopper in Form eines Schweins in die Hand und beäugte ihn argwöhnisch. »Was stand darin?«
    »Das weiß ich noch nicht«, sagte Ruby. »Ich habe ihn bisher nicht aufgemacht.«
    Mel zog eine perfekt gezupfte Augenbraue hoch. »Warum nicht?«
    Gute Frage. Ruby hatte ihn auf den Kaminsims gelegt, aber auf keinen Fall vergessen. »Keine Ahnung«, gestand sie. »Wahrscheinlich, weil ich noch so wütend auf sie bin, auf sie beide.« Ihre Mutter hatte sie so viele Jahre lang angelogen, und dann machte sie auch noch so etwas Abgeschmacktesund hinterließ einen Brief, der ihrer Tochter nach ihrem Tod übergeben werden sollte. Also ehrlich! Sie wandte sich zu Mel. »Warum hatte sie nicht den Mut, es mir selbst zu sagen?«, wollte sie wissen. »Das ist einfach nicht fair.« Sie wusste, dass sie wie ein Kind klang, aber im Moment fühlte sie sich auch so.
    Sie waren an einem Stand mit Vintage-Schmuck angelangt. Ruby nahm eine Art-déco-Brosche in die Hand, die in einer staubigen blauen Samtschachtel lag. Nahmen Schmuckstücke die Schwingungen ihrer Träger auf? Zerstreut nestelte sie an dem goldenen Medaillon herum, das sie in der alten Schmuckschatulle ihrer Mutter gefunden hatte. Die Ränder des Kästchens waren schräg angeschliffen, und auf dem Deckel war eine Rose eingraviert. Obwohl Ruby jetzt wusste, dass Vivien nicht ihre leibliche Mutter gewesen war, schien dieses Medaillon, das die Bilder ihrer Eltern barg, auf eine undefinierbare, schwer fassliche Art das Wesen des Begriffs »Mutter« zu symbolisieren. Es war, als gebe es ihr ein wenig von dem, was ihr fehlte, zurück.
    »Dann rebellierst du also?«, fragte Mel. »Indem du den Brief nicht liest, streckst du ihnen allen die Zunge heraus?«
    Ruby musste lachen. »Vielleicht.« Sie würde ihn lesen   – aber erst, wenn der richtige Zeitpunkt gekommen und sie bereit dazu war. Schließlich kannte sie jetzt die ganze Geschichte   – was konnte noch groß darinstehen?
    »Hmmm.« Mel nahm ihren Arm. »Pass auf, dass du dir damit nicht selbst ein Bein stellst«, sagte sie.
    Am Obststand vorbei gingen sie weiter zur Keramik aus der Gegend. Auf diesem Markt gab es wirklich alles. Kein Wunder, dass er so beliebt war. Kein Wunder, dass am Wochenende sogar Londoner kamen, um ihn zu besuchen.Die Sonne schien warm. Ruby hatte gerade einen Wellness-Artikel abgeschlossen und ihn bereits zwei Tage vor dem Abgabetermin an Leah geschickt. Also konnte sie morgen Songs schreiben und vielleicht eine Bandprobe arrangieren. Sie dachte an das Cottage, das sie bald mieten würde, und an Andrés. Sie lächelte. Emotional befand sie sich zwar gerade auf einer Achterbahn, aber es ging ihr nicht schlecht.
    »In Anbetracht der Umstände siehst du ziemlich fröhlich aus.« Mel zog die Augen zusammen und warf ihr kastanienbraunes Haar zurück. »Gibt es noch etwas, was du mir nicht erzählt hast?«
    War da etwas? Ruby war sich nicht ganz sicher. Noch nicht. Sie hatte einen wunderschönen Tag mit Andrés verbracht. Und dann war da natürlich auch der Kuss gewesen. Andrés hatte sie überrumpelt, aber der Kuss war schön gewesen und hatte ein warmes Glühen in ihrem Inneren hervorgerufen. Und sie brannte darauf, das Erlebnis zu wiederholen. »Also   …«
    »Wer ist er?«, fragte Mel.
    »Wer?«
    »Der Mann, der ein Lächeln auf dein Gesicht gezaubert hat.«
    Mel konnte man einfach nichts vormachen. Ruby zuckte die Achseln. »Du hast mich doch neulich überredet, zu dieser Essenseinladung zu gehen. Weißt du noch?«
    »Ja?«
    »Na ja   …« Ruby begann zu erzählen, hörte dann aber wieder auf, weil Mel sie anstarrte. »Was ist?«
    »Du magst diesen Mann wirklich gern, oder?«
    Tat sie das? Sie standen vor einem Stand mit Vintage-Kleidung. Ruby schnappte sich ein mit einem verwaschenenMuster bedrucktes Kleid und hielt es sich vor den Körper. »Was meinst du?«
    Mel stand da und stemmte die Hände in die Hüften. Sie schüttelte den Kopf. »Verwaschenes passt nicht zu dir.«
    Nein,

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