Julias kleine Sargmusik
Featherhead, die dicht neben dem Fenster mit dem Rücken an der Wand lehnte und ihn anschaute. Es war ihr fast unbegreiflich, so eine Person zu sehen, für deren Leben sie keinen Pfifferling mehr gegeben hatte. Und nun stand er vor ihr.
Er schaute sie an.
Sie blickte auf ihn. Noch trug er seine Uniform, er sah auch so aus wie früher, nur etwas hatte sich verändert.
Die Haut!
Mrs. Featherhead kam es vor, als hätte sie einen anderen Farbton bekommen oder eine fremde Schicht, denn sie wirkte fremd und gläsern. Jemand schien eine dünne Flüssigkeit mit einem Pinsel darüber gestrichen zu haben.
Ein sehr fremdes Bild, und Mrs. Featherhead hörte die Stimme ihres Lebensretters. »Seien Sie auf der Hut! Dieser Mensch ist gefährlich. Er ist nicht mehr so wie früher.«
Die Witwe nickte. Sie wagte nicht, sich zu rühren und ließ den anderen keine Sekunde aus den Augen.
Glenn Rotter hob einen Arm. Es war eine langsame, eine sehr mühsame Bewegung, und die Frau vernahm einen knirschenden Laut, als der Arm angehoben wurde.
Das Knirschen erklang in der Schulter. Es hörte sich an, als würde Glas gebrochen. Mrs. Featherhead rechnete sogar damit, kleine Splitter wegspritzen zu sehen.
Glenn Rotter drehte sich. Plötzlich war die Frau für ihn uninteressant geworden. Sie selbst hielt den Atem an, auch ihr Retter sagte nichts, beide hörten die Geräusche, die entstanden, als sich der Polizist in Bewegung setzte.
Da knirschte und knackte es. Jeder Schritt war von einem solchen Geräusch begleitet, und auch beim Aufsetzen des Fußes vernahm die Frau ein so ungewöhnliches Geräusch.
Sie sah, wie er wankte. Da sich die schützende Schleimhülle nicht mehr um seinen Körper befand, musste er sehr große Mühe haben, sich überhaupt bewegen zu können.
Noch einen Schritt ging er, auch einen weiteren… Dann brach er zusammen.
Mit dem linken Bein knickte er weg. Er brach an der Hüfte ein, konnte sich nicht mehr halten, fiel gleichzeitig nach hinten und schlug schwer auf. Noch ein Splittern und Knirschen war zu hören, feiner Glasstaub wirbelte in die Höhe, der sich nur allmählich senkte. Mrs. Featherhead warf ihrem Retter einen fragenden Blick zu. Der Mann hob sein Schwert an und zeigte damit auf den Polizisten. »Schauen Sie ihn sich an!«
Die Witwe zögerte noch. Sie traute den Worten nicht und zuckte wieder zusammen, als sie ein knirschendes Knacken hörte. Das Geräusch erzeugte auf ihrem Rücken eine Gänsehaut. Bis ins Mark erschrak die Frau. Sehr vorsichtig ging sie weiter. Als sie in einer Abwehrhaltung etwa einen Schritt von Glenn Rotter entfernt stoppte, da sah sie das Schreckliche. Der Kopf des Mannes bewegte sich. Dabei richtete Glenn seinen Oberkörper ein wenig auf, und genau in diesem Augenblick und noch mitten in der Bewegung bekam der Kopf einen Drall nach links, kippte weg, fiel vom Hals und zerbrach.
Scherben und Splitter blieben zurück…
Clara Featherhead stand da, ohne sich zu rühren. Sie war unfähig, auch nur den kleinen Finger zu bewegen. Wie zuvor der Polizist, so erinnerte auch sie an eine Figur aus Glas. Dass sie atmete, merkte sie kaum. Den Mund hielt sie geöffnet, nur schwach drangen die Atemgeräusche aus ihm hervor, bis sie nahezu schluchzend Luft holte, sich abdrehte und den Kopf schüttelte.
Nein, das war grauenhaft, schlimm und einfach nicht zu fassen. Ein Alptraum war für die Frau zu einer furchtbaren Wahrheit geworden. Zudem war der Vorgang nicht beendet. Die Arme zerbrachen ebenso wie die Beine, schließlich fiel der Körper in der Mitte auseinander, so dass von dem Polizisten Glenn Rotter nur mehr Fragmente zurückblieben. Reste, gläserne Splitter, das war alles. Sie sah kein Gesicht, keine Adern, kein Blut. Das alles war verschwunden. Vielleicht aufgesaugt worden von dem rötlichen Schleim, in dem Glenn zuvor gesteckt hatte.
»Nun?« vernahm sie die dunkle, volltönende Stimme hinter sich. »Haben Sie jetzt genug gesehen? Und sind Sie sich der Gefahr bewusst gewesen, in der Sie geschwebt haben?«
Clara Featherhead nickte nur. Reden konnte sie einfach nicht, weil alles zu schrecklich und unbegreiflich war. Sie hatte sich soweit überwunden, dass sie wieder normal empfinden konnte. Zudem wollte sie sich ihren Lebensretter genauer ansehen, deshalb drehte sie sich um. Der Eiserne Engel stand vor ihr. Er überragte sie und stieß mit seinem Kopf fast an die Decke. Sein Schwert hatte er wieder weggesteckt. Wenn die Frau an den Seiten vorbeischaute, konnte sie die Ecken
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