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Julie oder Die neue Heloise

Titel: Julie oder Die neue Heloise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Jacques Rousseau
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keine Weise nützlich machen kann, muß ich unterhaltend zu sein trachten. Ich übe mich, so gut es gehen will, mir Artigkeit anzueignen ohne Falschheit, gefällig zu sein, ohne mich zu erniedrigen, und mir Alles, was die Gesellschaft Gutes hat, herauszunehmen, daß ich in ihr gelitten werden könne, ohne ihre Laster zu theilen. Ein müßiger Mensch, der die Welt sehen will, muß wenigstens ihre Manieren bis auf einen gewissen Punkt annehmen: denn was für ein Recht hätte man, auf Zutritt Anspruch zu machen bei Leuten, denen man zu nichts auf der Welt nütze ist und bei denen man sich nicht beliebt zu machen weiß? Versteht man dies letztere, so wird dann auch nichts weiter verlangt, sonderlich von einem Fremden. Er braucht an den Kabalen, Intriguen, Händeln keinen Theil zu nehmen; wenn er sich gegen Jedermann schicklich beträgt, gewissen Frauen weder Zurücksetzung noch Vorzug zu Theil werden läßt, aus den Gesellschaften, in denen er aufgenommen ist, nichts ausplaudert, die Lächerlichkeiten des einen Hauses nicht in dem andern zum Besten giebt, Vertraulichkeiten vermeidet, Zänkereien von sich fern hält, überhaupt sich eine gewisse Würde bewahrt, so wird er ruhig die Welt sehen können, ohne seine Sitten, seine Rechtschaffenheit zu verleugnen, selbst seine Freimüthigkeit, vorausgesetzt, daß diese aus Freisinnigkeit, nicht aus Parteigeist entspringe. So habe ich es zu machen gesucht, nach dem Rathe einiger einsichtsvollen Personen, die ich mir unter den Bekanntschaften, welche ich Milord Eduard verdanke, zu Führern gewählt habe. Ich habe nun angefangen in minder zahlreichen und gewählteren Gesellschaften Zutritt zu erhalten. Ich hatte bisher nur regelmäßigen Diners beigewohnt, wo sich keine Frau blicken läßt, außer der Herrin des Hauses und wo alle Pflastertreter von Paris, so viel man ihrer kennt, Zutritt haben,
    wo dann Jeder sein Diner, je nach Vermögen, mit Geist oder mit Schmeichelei bezahlt und wo es daher Gewirr und Lärm giebt, nicht viel anders an Wirthshaustischen.
    Ich bin jetzt in geheimere Mysterien eingeweiht. Ich wohne eingeladenen Soupers bei, wo die Thür dem zufällig Kommenden verschlossen ist und wo man drauf rechnen kann, nur Leute zu finden, die, wenn nicht sich unter einander, doch wenigstens ihren Wirthen angenehm sind. Da geben die Frauen weniger auf sich Acht und man kann schon anfangen, sie zu studiren; es werden da in größerer Ruhe feinere und sarkastischere Reden geführt; anstatt der öffentlichen Neuigkeiten, des Theaters, der Beförderung, der Todesfälle, der Heiraten, die man am Morgen besprochen hat, zieht man da behutsam die Stadtgeschichten durch die Hechel, entschleiert alle geheimen Angelegenheiten der
Chronique scandaleuse
, macht das Gute wie das Böse auf gleiche Weise komisch und lächerlich, und, indem Jeder mit Kunst nach seinem besonderen Zwecke die Charaktere Anderer malt, malt er, ohne daran zu denken, noch weit besser seinen eigenen; da gebraucht man wohl noch einen Rest von Scheu vor den Lakaien eine gewisse geschraubte Sprache, durch welche man unter dem Vorwandte die Satyre zu verhüllen, sie nur beißender macht; da mit einem Worte, schleift man den Dolch auf's feinste, vorgeblich um weniger weh zu thun, in Wahrheit, um tiefer zu stoßen.
    Indessen, nach unseren Vorstellungen, würde man Unrecht haben, diese gesellschaftlichen Reden satyrisch zu nennen, denn sie sind weit mehr höhnisch als beißend und treffen weniger das Laster als die Lächerlichkeiten. Im Allgemeinen hat die Satyre wenig Curs in großen Städten, wo das, was blos schlecht ist, so zur Tagesordnung gehört, daß es nicht Mühe lohnt davon zu sprechen. Was bleibt zu tadeln übrig, wo die Tugend nicht mehr geschätzt wird? Und worüber sollte man medisiren, wenn man nichts mehr unrecht findet? In Paris besonders, wo man Alles nur von der spaßhaften Seite nimmt, wo Alles, was Zorn und Entrüstung erregen sollte, nicht eher Eingang findet als bis es in ein Chanson oder Epigramm gebracht ist. Die hübschen Frauen lassen sich nicht gern böse machen, auch macht sie nichts böse, sie lachen gern und da in Unthaten kein Stoff zum Lachen liegt, so sind die Schurken ordentliche Leute wie alle Welt. Aber wehe Dem, der sich dem Gelächter bloßstellt; sein Brandmal ist unvertilgbar; der Spott zerfetzt nicht allein Sittlichkeit und Tugend, nein, zeichnet selbst das Laster, hängt dem Buben Verleumdungen an. Aber wieder zu unseren Soupers.
    Was mich in diesen gewählten Gesellschaften am

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