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Julie oder Die neue Heloise

Titel: Julie oder Die neue Heloise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Jacques Rousseau
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vergehe.
Sentirsi, oh Dei! morir,
    E non poler mai dir:
    Morir mi sento!

    [Sich fühlen, o Götter, vergehn
    Und nimmer dürfen gestehn:
    Es bricht mein Herze,
Metastasio.]
    Das Schlimmste ist, daß alle diese Leiden mein Hauptübel unaufhörlich verschlimmern; und daß ich nur immer lieber an dich denke, je mehr mich dein Andenken in Verzweiflung bringt. Sage mir, Freund, mein süßer Freund, fühlst du wohl, wie sehr die Wehmuth das Herz zärtlich stimmt und wie die Liebe in der Trübsal höher aufwallt?
    Ich wollte mit Ihnen von tausend Dingen reden; aber außer dem, daß es besser ist, zu warten, bis ich bestimmt weiß, wo Sie sind, ist es mir nicht möglich, diesen Brief fortzusetzen, in dem Zustande, in welchem ich mich beim Schreiben befinde. Adieu, mein Freund; ich scheide von dem Papier, aber, glauben Sie mir, nicht von Ihnen.
Billet.
    Ich schreibe durch einen Schiffer, den ich nicht kenne, unter der gewöhnlichen Addresse, um anzuzeigen, daß ich Meillerie zu meinem Aufenthalte gewählt habe, am gegenüberliegenden Ufer, um mich wenigstens an dem Anblicke des Ortes zu erfreuen, dem ich nicht zu nahen wage.
     
Sechsundzwanzigster Brief.
An Julie.
    Wie hat sich mein Zustand in wenigen Tagen verwandelt! Wie viel Bitteres mischt sich in das süße Gefühl, Ihnen näher zu sein! Was für trübe Gedanken belagern mich! Was für Widerwärtigkeiten zeigt mir meine bange Ahnung in der Ferne! O Julie! was für ein unseliges Geschenk des Himmels ist eine empfindsame Seele! Wem eine solche zu Theil geworden, der sei darauf gefaßt, auf Erden nichts als Kummer und Schmerz zu haben! Ein elendes Spielzeug der Luft und des Wetters; Sonne oder Nebel, bedeckter oder heiterer Himmel machen sein Geschick, und er ist freudig oder traurig, je nachdem der Wind steht. Ein Opfer der Vorurtheile, findet er in abgeschmackten Grundsätzen ein unübersteigliches Hinderniß seiner gerechten Herzenswünsche. Die Menschen strafen ihn dafür, daß er ein richtiges Gefühl von jeder Sache hat und sie mehr nach dem beurtheilt, was wahrhaft, als nach dem, was herkömmlich ist. Alleinstehend hätte er schon daran genug, um elend zu sein, daß er sich unkluger Weise dem himmlischen Zuge des Rechten und Schönen überläßt, während die schweren Ketten der Nothwendigkeit ihn an die Schmach binden. Er trachtet nach dem höchsten Glücke, und bedenkt nicht, daß er ein Mensch ist; sein Herzund seine Vernunft sind in ewigem Streite, und schrankenlose Begierden legen ihm ewige Entehrungen auf.
    Dies ist die grausame Lage, in welche ich gestürzt bin, ich, den das Schicksal niederdrückt, während mich mein Gefühl emporreißt, ich, den dein Vater verachtet, während du die Wonne und die Qual meines Lebens bist. Ohne dich, unselige Schönheit, würde ich niemals diesen unerträglichen Gegensatz von Hoheit im Innersten meiner Seele und Niedrigkeit in meiner äußerlichen Stellung empfunden haben; ich hätte ruhig gelebt und wäre zufrieden gestorben, ohne es des Blickes werth zu achten, welchen Rang ich auf der Erde eingenommen hatte. Aber dich gesehen haben und dich nicht besitzen können, dich anbeten und nichts sein als ein Mensch, geliebt sein und nicht glücklich sein dürfen, an demselben Orte leben und nicht mit einander leben dürfen! .... O Julie, der ich nicht entsagen kann! o Schicksal, das ich nicht bewältigen kann! welche furchtbaren Kämpfe regt ihr in mir auf, ohne daß ich jemals weder meiner Begierden noch meiner Ohnmacht Meister werden kann!
    Wie wunderbar und unbegreiflich ist das! Seit ich Ihnen näher bin, wälze ich, nur finstere Ahnungen in meinem Geiste umher. Vielleicht trägt der Ort, an dem ich mich befinde, zu meiner Schwermuth bei: er ist trübselig und schauerlich; er stimmt nur desto besser zu dem Zustande meiner Seele, und ich würde an einem angenehmeren nicht so geduldig aushalten. Eine starre Felskette läuft am Ufer entlang und umgiebt meine Wohnung, die der Winter noch schauriger macht.. Ach, ich fühle es, wenn ich Ihnen entsagen müßte, meine Julie, würde kein anderer Wohnort mehr, keine andere Jahreszeit mehr für mich sein.
    In der gewaltsamen Aufregung, in welcher ich mich befinde, habe ich nirgend Ruhe; ich laufe, steige mit Anstrengung, schwinge mich auf die Felsen, durchlaufe die Gegend mit hastigen Schritten und finde überall in den Gegenständen außer mir denselben Graus, der in meinem Innern herrscht. Man sieht kein Grünes, das Gras ist gelb und welk, die Bäume sind blätterlos, der

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