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Julie oder Die neue Heloise

Titel: Julie oder Die neue Heloise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Jacques Rousseau
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würdig sind. Juliens Herz gehört Ihnen. Mögen Sie beide ….! Was sagen Sie, Milord, unterbrach ich ihn: sind Sie von Sinnen? Nein, entgegnete er lächelnd. Aber ich war nahe daran, es zu sein, und es wäre vielleicht um mich geschehen, wenn nicht Die, welche mir den Verstand geraubt hat, ihn mir wiedergegeben hätte. Er gab mir darauf den Brief, in welchem ich mit Erstaunen eine Hand erkannte, die nie an einen Mann
[Man wird, denke ich, ihren Vater ausnehmen müssen.]
geschrieben hat, als mich. Was habeich gefühlt bei diesem Briefe! Ich sah ein liebendes Weib, wie es kein zweites giebt, sich aufopfern, um mich zu retten; ich erkannte Julie. Aber als ich an jene Stelle kam, wo sie schwört, den beglücktesten der Menschen nicht zu überleben, da habe ich geschaudert vor der Gefahr, in welche ich rannte, da habe ich gemurrt, zu sehr geliebt zu sein, und mein inneres Beben hat mich gemahnt, daß du nur eine Sterbliche bist. Ach! gieb mir den Muth wieder, den du mir entrissen hast; ich hatte Muth, dem Tode zu trotzen, der nur mich allein bedrohte, ich habe keinen, um in meinem ganzen Ich zu sterben.
    Während sich meine Seele diesen bitteren Betrachtungen hingab, sprach Eduard, und ich hörte wenig auf das, was er sagte; aber er weckte meine Aufmerksamkeit, als er von dir zu reden anfing, denn was er jetzt sagte, gefiel meinem Herzen und reizte nicht mehr meine Eifersucht. Es schien ihm herzlich leid zu sein, daß er unsere Liebe und deine Ruhe gestört hatte. Du bist das, was er am meisten auf der Welt verehrt, und da er nicht wagt, auch dir seine Entschuldigung zu machen, so hat er mich gebeten, sie in deinem Namen anzunehmen und sie dir auszurichten. Ich habe Sie, sagte er, als ihren Repräsentanten betrachtet und konnte mich vor Dem, was sie liebt, nicht zu sehr demüthigen, da ich mich an sie selbst nicht wenden konnte, ohne sie zu compromittiren, sie nicht einmal nennen durfte. Er gesteht, daß er von den Gefühlen für dich ergriffen war, deren man sich nicht erwehren kann, wenn man dich zu viel ansieht; aber es war mehr eine zärtliche Bewunderung als Liebe. Diese Gefühle haben ihm niemals Absichten oder Hoffnung eingeflößt; er hat sie den unsrigen im Augenblick geopfert, sobald er von diesen Kenntniß erhielt, und die üble Rede, die ihm entfahren war, ist mehr eine Wirkung des Punsches als der Eifersucht gewesen. Er behandelt die Liebe auf Philosophenmanier, indem er seine Seele über die Leidenschaften erhaben glaubt: ich indessen müßte mich sehr irren, wenn er nicht schon eine in sich erfahren hätte, welche anderen nicht mehr erlaubt, tiefe Wurzeln zu schlagen. Er nimmt die Erschöpfung seines Herzens für eine Kraftäußerung der Vernunft, und ich weiß wohl, daß Julien lieben und ihr entsagen keine Tugend für Menschen ist.
    Er hat gewünscht, die Geschichte unserer Liebe umständlich zu erfahren, auch die Hindernisse kennenzulernen, welche sich dem Glücke deines Freundes in den Weg stellen; ich habe geglaubt, daß nach deinem Briefe ein halbes Vertrauen gefährlich und nicht wohl angebracht wäre;ich habe es also ganz gegeben und er hat mir mit einer Aufmerksamkeit zugehört, welche mir seine Aufrichtigkeit bezeugte. Ich habe mehr als einmal seine Augen feucht und sein Herz gerührt gesehen; ich nahm vorzüglich wahr, welchen Eindruck alle jene Triumphe der Tugend auf ihn machten, und ich glaube dem Claude Anet einen neuen Beschützer gewonnen zu haben, der sich seiner nicht minder eifrig annehmen wird als dein Vater. In dem allen, was Sie mir erzählt haben, sagte er, ist keine überraschende Begebenheit, nichts Abenteuerliches, und doch würden mich die Katastrophen eines Romans weit weniger fesseln! Eure beiden Seelen sind so außergewöhnlich, daß man sie nicht mit dem gemeinen Maße messen muß. Das Glück liegt für euch nicht auf dem nämlichen Wege und ist nicht von der nämlichen Art, wie für die anderen Menschen; sie streben nur nach Macht und Geltung; was ihr braucht, ist nur Zärtlichkeit und friedliches Dasein. Es hat sich euerer Liebe ein Wetteifer in der Tugend beigesellt, der euch erbebt; ihr würdet beide weniger werth sein, wenn ihr euch nicht geliebt hättet. Die Liebe wird vergehen, erdreistete er sich hinzuzusetzen, (verzeihen wir ihm diese Blasphemie, die er in der Unwissenheit seines Herzens ausstieß!) die Liebe wird vergehen, sagte er; die Tugenden werden bleiben. Ach, möchten sie nur dauern, Julie, so lange als sie; mehr brauchte der Himmel nicht zu verlangen.
    So

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