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Julischatten

Julischatten

Titel: Julischatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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beobachtete Sim, wie ihre Tante erregt auf die Jungen einredete. Ihre Hände flatterten und gestikulierten und Sim krampfte sich der Magen zusammen. Das war’s dann also. Jetzt wussten die beiden, warum sie hier war. Sim spürte, wie ihr die Tränen kamen.
    Jimi warf einen Blick zu ihr herauf, aber sie tat so, als wäre sie beschäftigt. Er holte sein Werkzeug aus dem Mustang und verschwand im Trailer. Lukas kam mit nach vorn gestreckten Armen den Pfad zur Tränke hoch, direkt auf sie zu. Sim rührte sich nicht. Er stieg durch den Zaun und rief nach den Pferden, offensichtlich hatte ihm niemand gesagt, dass sie hier war.
    Eins nach dem anderen liefen die Tiere auf ihn zu. Sie begrüßten ihn mit zärtlichen Nasenstübern und knabberten an seinem T-Shirt. Er rieb und klopfte ihre Hälse und sprach mit ihnen auf Lakota. Lukas Brave war ein richtiger Pferdeflüsterer. Sim beobachtete ihn und merkte nicht, dass der Wasserbottich inzwischen vollgelaufen war. Mit einem lauten Plätschern ergoss sich das Wasser über den Rand. Lukas spitzte die Ohren.
    »Sim?«
    Sie antwortete nicht. Sie wollte nicht mit ihm reden.
    »Komm schon, ich weiß, dass du da bist.«
    »Ich muss das Wasser abdrehen«, sagte sie und zog den Schlauch aus dem Bottich.
    »Nein, warte noch. Gib mir den Schlauch.«
    »Warum?«, fragte sie ungehalten.
    »Wirst du gleich sehen. Geh zur Seite.«
    Sim drückte ihm das Ende des Schlauches in die Hand. Lukas legte den Daumen auf den Wasserstrahl und zielte mit der Fontäne auf die Pferde. Forrest und Sweety verließen fluchtartig die Gruppe und liefen den Hügel hinauf, die anderen fünf ließen sich von Lukas mit kaltem Wasser abspritzen. Ebony drehte sich unter dem Wasserstrahl wie unter einer Dusche. Lukas lachte, als er das Wasser auf die Pferdeleiber prasseln hörte. Big Boy und Paco wälzten sich genüsslich in der staubigen hellen Erde. Als sie aufstanden und sich schüttelten, sahen sie aus wie Geisterpferde.
    Fasziniert von diesem Schauspiel vergaß Sim für einen Moment ihren Frust und ihren Kummer. Dann versiegte plötzlich der Wasserstrahl. Sie schaute zum Haus hinunter und sah, dass eine Familie mit mehreren Kanistern gekommen war und sich am Wasserhahn zu schaffen machte.
    »Jemand holt Wasser«, sagte sie. Lukas ging zum Zaun und schob den Schlauch hindurch.
    »Das hat ihnen gefallen«, sagte Sim verlegen.
    »Ja. Ihnen ist auch heiß und sie können nicht in der Pferdetränke baden wie du.« Er lächelte, aber Sim wollte jetzt nicht an diesen Tag erinnert werden, an dem Lukas ihr seinen Lieblingsplatz an der Schlucht gezeigt hatte.
    »Meine Tante, was wollte sie denn von euch?«
    »Sie ist sauer auf Jimi.«
    »Ach Mist.«
    »Er wird’s überleben.«
    »Hat sie etwas erzählt… über mich?«
    »Ja, Sim. Deine Eltern haben dich hergeschickt, weil du eine Alkoholvergiftung hattest. Jo sagt, du wärst auf Entzug hier.«
    Auf Entzug? Was war das denn für ein Schwachsinn?
    »Komme ich dir wie eine Alkoholikerin vor?«, brauste Sim auf. Ihren Eltern hatte Tante Jo nichts erzählt, aber vor Jimi und Lukas hatte sie die Katze aus dem Sack gelassen, weil sie wusste, dass Sim das viel härter treffen würde.
    Blöde Kuh!
    Sie bekam keine Antwort und Lukas’ Schweigen machte sie noch wütender. »Ach, Scheiße.« Sim wollte an ihm vorbei, aber er legte zielsicher seine Arme auf ihre Schultern und hielt sie fest.
    »Nein, du kommst mir nicht wie eine Alkoholikerin vor«, sagte er ruhig. »Und dich ausgerechnet ins Res zu schicken, um dich am Trinken zu hindern, ist…«
    ». . . ein neuer Erziehungsansatz meiner Eltern«, ergänzte sie sarkastisch.
    ». . . ein ziemlicher Witz«, beendete Lukas seinen Satz. »Ich nehme an, deine Eltern haben keine Vorstellung davon, wie es hier läuft.«
    »Was willst du mir damit sagen, Lukas?«, fragte Sim ungehalten. »Willst du mir weismachen, dass du nie trinkst, nicht mal ein Bier?«
    Er ließ seine Hände sinken. »Nicht mal ein Bier«, sagte er.
    »Und das soll ich dir glauben?«
    »Glaub, was du willst, Sim. Meine Mutter war Alkoholikerin. Sie war völlig dicht und ist trotzdem mit mir ins Auto gestiegen. In einer Kurve hat sie die Kontrolle über den Wagen verloren, ist von der regennassen Straße abgekommen und wir haben uns mehrmals überschlagen. Meine Mutter ist in ihrem Auto verbrannt – bei lebendigem Leib. Ich bin durch die Windschutzscheibe geflogen. Als ich im Krankenhaus aufwachte, war alles um mich herum schwarz.«
    Sim schluckte. »Das tut mir

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