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Julischatten

Julischatten

Titel: Julischatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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wiederkommen«, sagte sie. »Tante Jo kann immer Hilfe gebrauchen.«
    Michael nickte lächelnd. »Dann sehen wir uns also wieder, nächsten Sommer.« Er streckte die Hand aus und Sim schlug ein.
    Nachdem Sim den Abwasch erledigt hatte, wünschte sie Michael eine gute Nacht. Er versprach, mit ihr am nächsten Tag zu Bernadine Jumping Eagle zu fahren, falls Lukas sich bis dahin noch nicht gemeldet hatte.
    Obwohl sie völlig erledigt war, konnte Sim nicht einschlafen. Immer, wenn sie die Augen schloss, sah sie Lukas vor sich. Sein freundliches Gesicht mit den Nachtaugen, seine aufrechte Haltung, der schief gelegte Kopf, wenn er lauschte. Seine Hände, die sie so zärtlich berührt hatten.
    Michael hatte recht. Lukas war klug, er war besonnen und er wusste mehr als manch anderer. Doch das änderte nichts an der Tatsache, dass er blind war und bei einem wütenden Präriebrand seine Sinne nicht wie gewohnt funktionieren konnten.
    Vielleicht war ihm das Feuer zum Verhängnis geworden. Vielleicht würde sie Lukas Brave nie wiedersehen.
    Ein halber Mond hing am Nachthimmel und Sterne pulsierten wie lebendige Wesen. Für die Lakota bedeutete ein leuchtender Stern Hoffnung – Hoffnung auf einen neuen Tag, auf ein gutes Leben.
    Jimis Mustang stand mit ausgeschalteten Scheinwerfern auf der Anhöhe über dem White Horse Creek. Jimi saß reglos auf dem Fahrersitz und starrte hinaus in die Nacht. Über ihm die funkelnde Hoffnung, unter ihm der Ort, an dem Timmy He Dog gestorben war, aufgedreht durch das Kokain, das er ihm verkauft hatte.
    Es war nur ein paar Stunden her, da hatte er einen Präriebrand verursacht und Lukas allein gelassen. Lukas, der nicht sehen konnte.
    Vielleicht war das Feuer schneller gewesen als das Gewitter, vielleicht hatte Lukas die Orientierung verloren und war in die Schlucht gestürzt. Jimi wusste nicht, ob sein Hunka-Bruder lebte oder schon auf dem Weg in die ewigen Jagdgründe war.
    Hoffnung war nur noch eine Erinnerung. Jedenfalls für ihn. Jimi steckte zwischen den Zähnen eines großen Tieres, roch den faulen Atem der Verdammnis und sah keine Hoffnung mehr. Der Medizinbeutel des Kriegshäuptlings und die Geisterfiguren waren unerreichbar für ihn. Er hatte niemanden, mit dem er reden konnte, keinen weisen Freund, wie Lukas ihn im alten Henry gefunden hatte. Tyrell wusste, dass er es war, der ihn bestohlen hatte, und beobachtete ihn mit den Augen eines Habichts. Wenn er auch nur einen falschen Schritt machte, würde es um ihn geschehen sein.
    Jimi dachte an Crazy Horse und was er getan hatte, wenn er nicht mehr weiterwusste. Der Häuptling war niemand, der seine Gedanken oder Gefühle mit anderen geteilt hatte. Er hätte seine Geistertiere befragt oder sich auf eine Visionssuche begeben.
    Die Geistertiere waren gefangen in Tyrells Spind, aber eine Hanbleceya würde Jimi vielleicht den richtigen Weg weisen. Er war nicht vorbereitet, hatte den flammend roten Starquilt seiner Großmutter Arvella nicht und auch keine Schnur mit Tabakbeutelchen in den Farben der vier Himmelsrichtungen. Er hatte keinen Medizinmann, der ihn begleiten und seine Vision später deuten würde. Aber Wakan Tanka würde all das verzeihen und Tunkashila, der Großvater Geist, war Großvater für alle, die keinen mehr hatten.
    Jimi startete den Motor und schaltete die Scheinwerfer ein. Sein Ziel war Bear Butte, der heilige Berg nördlich der Black Hills, auf dem auch Tashunka Witko seine Visionen erhalten hatte.

29. Kapitel
    Lukas und Jimi sind nicht da.« Roxie, mit offenem Haar und ganz in Pink gekleidet, sprang auf dem Trampolin vor dem Trailer herum. »Vielleicht weiß Bernadine, wo sie sind.«
    Sim und Michael stiefelten durch den vom Regen aufgeweichten Boden weiter zum großen sandfarbenen Haus, das ein paar Meter hinter dem Trailer stand. Eine Handvoll dunkelhäutiger Kinder hüpfte in einem Schlammloch herum, das sich nach dem gestrigen Gewitter zwischen Trailer und Haus gebildet hatte.
    Super-Mom saß in fleckigem T-Shirt und alten Jogginghosen auf der Veranda vor dem Eingang ihres großen Hauses und las Zeitung. Als sie näher kamen, hob sie den Kopf und beäugte die fremden Ankömmlinge mit unverhohlenem Misstrauen. Die kleinen schwarzen Augen glänzten wie Murmeln. Sim fragte sich, ob Bernadine sich an sie erinnerte.
    »Wir suchen nach Lukas«, sagte Michael und sie war froh, dass er das Reden übernahm.
    Bernadine Jumping Eagle hob die massigen Schultern. Sie trug eine Armbanduhr am Handgelenk, was Sim komisch fand.

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