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Julischatten

Julischatten

Titel: Julischatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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Auf die Jungs brauchst du nicht zu warten, die werden sich so schnell nicht wieder blicken lassen.«
    Oh Gott – hatte sie die beiden schon am frühen Morgen angerufen und ihnen Vorhaltungen gemacht?
    Widerwillig erhob sich Sim, stieg langsam die Stufen hinunter und setzte sich mit mürrischem Gesicht in den Truck. Während der Fahrt versuchte ihre Tante, eines dieser klärenden, verständnisvollen Gespräche mit ihr anzufangen, aber Sim gab sich wortkarg und schließlich gab Jo es auf.
    Sie kauften Unmengen Lebensmittel ein und danach fuhren sie zu Big Bat’s, um den Truck aufzutanken. Sim hoffte, Jimi und Lukas irgendwo zu entdecken, aber das war Wunschdenken.
    Als sie von der Tankstelle rollten, fuhr Jo in eine unerwartete Richtung. Nach knapp drei Meilen passierten sie die Grenze zu Nebraska und erreichten den Ort White Clay, ein schäbiges Kaff mit ein paar grauen Häusern zu beiden Seiten der Straße. Kaum hatte ihre Tante den Pick-up am Straßenrand geparkt, lösten sich zwei gebeugte Gestalten aus dem Schatten der Gebäude und wankten auf sie zu. Eine Frau und ein Mann in schäbigen Kleidern umkreisten das Auto.
    Der Alte mit strähnigem Haar und blutunterlaufenen Augen klopfte an Sims Fenster und grinste zu ihr herein. Erschrocken zuckte sie zurück. Er hatte eine grobporige Knollennase und kaum noch Zähne im Mund. Mit einem unmissverständlichen Zeichen gab er ihr zu verstehen, dass sie die Scheibe herunterlassen sollte.
    Sim schüttelte den Kopf und sah ihre Tante fragend an. Sollte sie der Aufforderung etwa nachkommen?
    »Schau dir genau an, was der Alkohol aus ihnen gemacht hat«, sagte Jo.
    Der Mann klopfte erneut an die Scheibe und Sim senkte den Kopf, um seinen abstoßenden Anblick nicht länger ertragen zu müssen.
    »Steig aus.«
    »Was?« Sims Kopf schnellte nach oben und sie starrte ihre Tante entgeistert an.
    »Na komm schon, steig aus. Ich möchte jemanden besuchen und du willst sicher nicht die ganze Zeit allein hier im Wagen sitzen bleiben.«
    Nein, das wollte sie bestimmt nicht. Dieser Ort war unheimlich und auf die Freakshow konnte sie gut und gerne verzichten. Sim stieg aus. Ihre Tante sagte ein paar harsche Worte und die Frau trottete davon. Der alte Mann blieb und begann, auf sie einzureden, während Jo einen Karton mit Lebensmitteln von der Ladefläche holte.
    »Mein Großvater«, nuschelte er, »mein Großvater war ein Medizinmann.« Der Indianer konnte sich kaum noch auf den Beinen halten, so betrunken war er. Sim blieb dicht neben ihrer Tante, als sie die Straße überquerten. Der Alte folgte ihnen. Es wäre für sie ein Leichtes gewesen, ihn abzuhängen, doch das tat ihre Tante nicht. Vielleicht war die Kiste mit den Lebensmitteln zu schwer, aber Sim ahnte, dass es eine Art Respekt dem alten Mann gegenüber war.
    »Er hat viel gewusst, mein Großvater. Über die Tiere, die Pflanzen, die Geister.« Er hustete, spuckte in den Staub.
    Sim fühlte sich elend und das kam nicht nur von der Hitze. Im Schatten der grauen Häuser entdeckte sie noch andere erbarmungswürdige Gestalten. Vor einem Holzhaus, das hinter einem Schnapsladen mit vergitterten Fenstern stand, machte ihre Tante halt.
    »Ich habe Durst«, sagte der Alte. »Mein Großvater war ein Medizinmann. Hast du vielleicht einen Dollar für mich?« Er hielt den Blick auf den staubigen Boden gesenkt.
    Zu Sims Verwunderung kramte Jo in ihrem Portemonnaie und zog einen Fünfer heraus, den sie dem alten Mann zusteckte. Flink verschwand das Geld in seiner Hand und für einen kurzen Moment sah er auf.
    »Du hast ein großes Herz, Tochter«, sagte er und schlurfte davon.
    Sim sah der gebeugten Gestalt nach und fragte sich, was er sich wohl gegen den Durst kaufen würde.
    »Was glaubst du, wie alt er ist?«, fragte Jo.
    »Du kennst ihn?«
    »Also, wie alt?«
    »Keine Ahnung, sechzig vielleicht.«
    »Er heißt Ronny Small und er ist genauso alt wie ich, nämlich einundvierzig. Er hat nicht gelogen, sein Großvater Charlie Small war ein geachteter Medizinmann.«
    Jo klopfte an die schief in den Angeln hängende Haustür und nannte ihren Namen. Es dauerte eine Weile, bis sich die Tür einen Spaltbreit öffnete und ein winziges Mütterchen mit strähnigem dünnem Haar sie aus leeren Augen anblickte.
    Jo zeigte den Karton. »Ich bin’s, Martha. Ich hab dir ein paar Lebensmittel mitgebracht.« Die Tür ging weiter auf und die Alte schlurfte ohne ein Wort der Begrüßung durch den dunklen Gang voran. Jo und Sim folgten ihr in einen noch

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