Julius Eichendorff 02 - Nomen est Omen - Eifel Krimi
ganzen Welt! Sagen Sie’s, Eichendorff!«
»Das kann ich nicht oft genug hören.«
»Der Sonner erzählt überall, ich hätte was mit dem KZ zu tun gehabt. Nunc ego verum illud verbum esse experior vetus: Aliquid mali esse propter vicinum malum. Hatte ich auch, aber nicht so, wie er glaubt. Die haben mich, als fast schon alles zu Ende war … der Trester ist wirklich fabelhaft! … da haben sie mich eingebunkert. Und ich säß heut nicht so nett mit Ihnen zusammen, lieber Eichendorff, wenn die Alliierten uns nicht befreit hätten. Und der Sonner erzählt noch mehr Blödsinn, dass ich die Situation seit dem Mord nicht mehr im Griff hätte. Wer könnte die Situation besser im Griff haben als ich, na?«
»Nur der liebe Gott.«
»Nur ich, genau. Gute Nacht!« Hesslands Kopf sank auf die Tischplatte.
Julius hatte ihn gar nicht fragen können, warum er die Gruppe während der Bunkerführung verlassen hatte. Mist! Er räumte den Trester wieder an seinen Platz, rief die Frau des leise Schnarchenden an und ging ins Büro.
Jetzt hatte er einen Grund mehr, Anna anzurufen.
Das Telefonat war kurz. Anna wollte die neuesten Entwicklungen lieber persönlich besprechen. Sie schlug einen Treffpunkt vor, der Julius mehr als merkwürdig vorkam. Aber er willigte ein.
Er musste aus Heppingen kommend nur der Hemmessener Straße, dann der Ahrtalstraße folgen und einmal links abbiegen auf die Rheinbacher – der riesige Komplex war in dem kleinen Örtchen unmöglich zu verfehlen. Julius war noch nie hier gewesen. Er hatte gehört, dass man sich in der Anlage schneller kennen lernte, als ihm lieb war. Die Wagen auf dem großen Parkplatz waren Zeichen für die Beliebtheit der Einrichtung, sie kamen aus Trier, Luxemburg, ein paar sogar aus den Niederlanden.
Julius hielt seinen Körper für gewöhnlich lieber bedeckt, hier würde dies nur in Maßen gehen. Denn vor ihm lag, vom Schnee umschlungen wie von einem großen weißen Handtuch, die Ausblick-Sauna im Grafschafter Ortsteil Vettelhoven – eine der größten Anlagen ihrer Art in Deutschland.
Hier liefen alle nackig rum.
Aber Anna hatte es so gewollt.
Warum auch immer.
Julius bezahlte an der Rezeption den Eintritt und erhielt gegen Pfand ein Armband mit Spind- und Wertfachschlüssel sowie eine Verzehrkarte. Er verstaute Portemonnaie und Uhr in den Fächern gleich neben der Rezeption und begab sich in den Unisex-Umkleidebereich.
Es waren Gott sei Dank nur Männer anwesend.
Schnell zog Julius sich aus und einen Bademantel an.
Auf dem Weg zum Caldarium – der neuesten Attraktion der Sauna, wie er in der Rhein-Zeitung gelesen hatte – kamen Julius viele Saunagäste entgegen. Aber er sah sie nicht wirklich, denn sein Blick war fest auf den Boden geheftet. Sollten sich Kommissarinnen nicht auf dem Revier mit Informanten treffen? Oder wenigstens in schmierigen Spelunken? Seit wann waren Saunen in solchen Fällen angesagt?
Plötzlich grüßte ihn eine Gruppe gut gelaunter Männer. Die Tischtennismannschaft des TTC Dernau zwang Julius aufzuschauen. Ihre Gesichter waren gerötet, aber glücklich. Julius erinnerte sich daran, dass die Sauna ihre Trikots sponserte.
»Ist es Ihnen in Ihrer Küche noch nicht heiß genug?«, fragte einer und tätschelte ihm den Rücken. Ohne eine Antwort abzuwarten, zogen sie weiter Richtung Ausgang.
Die meisten Besucher, stellte Julius fest, nachdem er aus Sicherheitsgründen das Kinn ein wenig höher trug, waren über fünfzig. So frivol, wie er sich das Ganze vorgestellt hatte, war es offenbar doch nicht.
Er war ein wenig enttäuscht.
Ab und an riskierte er einen Blick in die Saunen, in denen der Rauch aufstieg, als sei der Abzug verstopft. Warum badeten die Menschen im Rauch, wo frische Luft doch kostenlos und in bester Qualität zur Verfügung stand? Überall dampfte, brodelte und zischte es, die Hitze war allgegenwärtig. Es war, als stünde der ganze Saunakomplex auf einer vulkanischen Öffnung – bei der geologischen Geschichte der Eifel gar nicht so abwegig. Julius konnte sich des Gefühls nicht erwehren, im Höllenschlund zu wandeln.
Endlich teilten sich die Dämpfe, und er kam im glasüberdachten Caldarium an.
Dort saß eine schwarzgemoderte Leiche, die mit einer gehörigen Portion Vorstellungskraft Anna von Reuschenberg sein konnte. Es war schwer, die warme Luft zu atmen. Julius musste an Dampfgaren denken.
Die Leiche sprach. Ihre Augäpfel wirkten im dunklen Gesicht wie strahlendweißer Marmor.
»Das musst du unbedingt probieren.
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