Julius Eichendorff 02 - Nomen est Omen - Eifel Krimi
übertönte.
Also hielt er die Luft an.
Schritte waren zu hören, über ihm, im zweiten Stock, wo die Zimmer mit den griechischen Götternamen lagen. Julius musste sich nicht anziehen. Kein Hemd, keine Hose, keine Schuhe. Er war bereits ausgehfein. Als er im zweiten Stock ankam, sah er eine Menschentraube. Nicht alle hatten auf korrekte Kleidung geachtet. Rolf Sonner und Volker Vollrad waren noch im Schlafanzug, Sandra Böckser hatte etwas an, das man für gewöhnlich als einen Hauch von Nichts bezeichnete. Aber niemand hatte Augen dafür. Oder für das, was es nicht verdeckte.
Die Situation war unwirklich. Die Gruppe bewegte sich nicht. Sie war wie gefroren.
Von keinem wahrgenommen stellte sich Julius dazu. Dank seiner Größe konnte er über alle hinwegblicken, auf das Bett des Zimmers mit dem schönen Namen »Aphrodite«.
»Und wieder war die Tür von innen verschlossen«, flüsterte Sonner. Angst schwang mit.
»Sie sieht so friedlich aus«, sagte Sandra Böckser weinend.
Das konnte Julius nicht finden. Wie sollte es friedlich wirken, wenn Inge Bäders Hinterkopf eine Delle hatte, in der eine Blutorange Platz fand? Wenn das weiße Bettlaken aussah, als wäre ein Schwein darauf geschlachtet worden? Wenn in der Ecke ein Golfbag stand, dessen Schatten bedrohlich wie ein angreifender Octopus an die Wand fiel? Und von dessen Holz 3 noch Blut tropfte?
»Gute Wahl«, hörte er Rolf Sonner sagen.
»Hätte ich auch genommen«, erwiderte Volker Vollrad.
VI
»Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind«
»Es gab keine Spuren im Schnee.« Anna von Reuschenberg schlürfte im Kaminzimmer etwas des heißen Glühweins, den die Besitzer der Burg Einöllen gegen den Schock serviert hatten. Sie bleckte die Zähne. »Autsch!«
»Was soll das heißen?«
»Dass der Glühwein wirklich glüht.«
»Das davor .«
»Um Mitternacht hat es kurz und heftig geschneit. Der Mord passierte gegen sechs Uhr früh. In der Schneedecke um die Burg befanden sich keine Fußabdrücke. Auch Inge Bäders Fenstersims war unangetastet.«
»Mit anderen Worten, der Mörder war schon im Haus.«
»Der Mörder ist eine der neun Personen, die über Nacht hier waren – zwei davon sind die Besitzer.«
»Die wir ausschließen können, schließlich waren sie beim ersten Mord nicht zugegen. Bleiben sieben. Davon bin ich eine …«
»Wie schaffst du das nur immer wieder?« Sie pustete kräftig in ihren Glühwein.
Julius zuckte mit den Schultern. »Geht man davon aus, dass der Mörder von Inge Bäder derselbe ist, der auch Klaus Grad umgebracht hat, bleiben sechs Verdächtige.«
»Genau. Der gute Herr Dopen ist raus. Übrig sind Jochen Hessland, Rolf und Susanne Sonner, Steve Reifferscheidt, Volker Vollrad und Sandra Böckser.«
Ebendiese kam nun zur Tür herein und goss sich großzügig Glühwein in eine Tasse. Sie zitterte. Eigentlich müsste Julius wegen ihrer merkwürdigen Aussage am gestrigen Abend nachhaken, aber jetzt war der falsche Zeitpunkt.
»Alles in Ordnung bei Ihnen?«, fragte er und erntete ein zaghaftes Nicken.
»Scheint wirklich geschockt zu sein, das arme Ding«, flüsterte Anna und seufzte. »Diesmal gab es übrigens keine Überwachungskameras. Wie es passiert ist, können wir uns trotzdem vorstellen. Es gibt keine Hinweise auf einen Streit oder Kampf. Alle Einrichtungsgegenstände sind säuberlich an ihrem Platz. Inge Bäder muss den Mörder – oder die Mörderin – arglos reingelassen haben. Vielleicht wusste sie nicht einmal, dass es sich um den Mörder Klaus Grads handelte.«
»Das glaube ich nicht«, sagte Julius und begann mit den Füßen zu wippen. »Jeder vom Vorstand ist seit dem Mord vorsichtiger geworden. Einem Klopfenden um sechs in der Frühe würde nicht einfach geöffnet werden. Ich glaube, Inge Bäder wusste sehr genau, wer draußen stand.«
»Wieso bist du dir da so sicher?«
»Wegen der Goldreste im Tresor. Gehen wir mal davon aus, dass es keine Goldbarren waren, sondern Kunstgegenstände, Schmuck zum Beispiel. Wenn ich Grad umgebracht hätte und diese besäße, wäre ich zu einem Hehler gegangen, den ich persönlich kenne und dessen menschliche Kühle mich vermuten lässt, dass er die Polizei nicht benachrichtigen würde.«
»Tja, Inge Bäder war zu Lebzeiten fast schon so kühl, wie sie jetzt ist«, sagte Anna und blies wieder in den Glühwein.
Im Hintergrund holte sich Sandra Böckser Nachschub. Wie Julius bemerkte, hatte ihr Zittern noch nicht aufgehört. Er wandte sich wieder an Anna. »Der
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