Julius Eichendorff 02 - Nomen est Omen - Eifel Krimi
wie der Schnee von den Bäumen rieselte. Ab und an traf es ihn kalt auf den unbedeckten Kopf.
»Viel zu tun im Januar?«, fragte Julius, der keine Lust hatte, sich weiter Antoines Darstellung eines Unschuldslamms anzusehen.
»Du weißt ja, ›Gourmet & Wein‹ fängt wieder an. Ich mach was im Weingut Schlosspark. Ansonsten ist ruhig. Und bei dir?«
»Dito. Heute lass ich nur meinen Sous-Chef neue Demiglace machen.«
»Kann man nie genug haben.«
»Velouté de veau, Velouté de volaille und Velouté de poisson soll er auch gleich zubereiten.«
Plötzlich zog Rouen an der Leine. Stärker als zuvor. Viel stärker.
»Ich glaub, er hat ein gefunden!«
»Natürlich. Nur hinterher. Wo hast du ihn verbuddelt, Antoine? Mann, ihr habt euch ja richtig Mühe gegeben! Selbst dein struppiger Vierbeiner ist mit von der Partie.«
Antoine schien Julius’ Bemerkung nicht zu hören. Seine Füße knackten durch die Reste der dünnen Eisdecke. Julius trottete hinterher. Hund und Herrchen waren fast schon verschwunden, als sie am Horizont verharrten. Im Näherkommen konnte Julius erkennen, dass Antoine gebückt stand und Rouen Schnee zwischen seinen Hinterläufen hindurchschaufelte. Er war ganz aufgeregt.
»Lass mich raten, dein grandioser Eifeler Trüffelhund hat was gefunden!«
»Das glaub ich auch!« Antoine begann das Tier anzufeuern. »Guter Hund, guter Hund, den Rouen!«
»Die ganze Aufregung um einen Parasitärpilz, der am Wurzelwerk von Bäumen lebt.«
»Faszinierend, nicht wahr?«
»Nur eine Frage: Warum habt ihr die Show nicht im Sommer abgezogen? Muss das gerade jetzt sein? Es zieht wie Hechtsuppe.«
»Er hat ein!« Antoines Hand schnellte hervor und legte sich über den an der Spitze freigebuddelten Pilz. Mit der anderen schob er Rouen zurück. »Julius, kannst du aus mein Jackentasche ein Hundekuchen nehmen und Rouen geben?«
Julius tat, wie ihm geheißen. Rouen verschlang die Belohnung mit einem Biss.
»Das ist den Vorteil mit Hunden«, sagte Antoine, während er die schwarze Trüffel freilegte. »Den Schweine wollen den Trüffel immer selber fressen – Hunde geben sich auch mit ein Ersatz zufrieden.«
Es dauerte etwas, bis der Pilz in der harten Erde freigelegt war, dann hob Antoine ihn empor. Er strich über die mit vieleckigen Warzen bedeckte, ledrige Haut, holte ein kleines Messer aus der Tasche und schnitt die Trüffel auf, das pechschwarze Fruchtfleisch bloßlegend.
»Willst du den Trüffel probieren?« Er rieb sie mit Schnee ab.
Julius nickte zögerlich. »Du hast sie nicht wirklich …?« Er nahm eine Trüffelscheibe von Antoine und biss darauf herum, bis sich ein Brei gebildet hatte.
Das war fraglos eine Trüffel.
Und sie schmeckte fraglos anders als die Trüffel, die er kannte.
Hatte Antoine sie vielleicht tatsächlich mit seiner Promenadenmischung gefunden?
War das Ganze doch kein Scherz?
Ach was! Blödsinn!
Nach vier Stunden sah die Sache anders aus.
Fünfundvierzig schwarze Trüffel, zusammen knapp achthundert Gramm schwer und über tausend Euro wert, lagen in einem kleinen Bastkorb. Die beiden schwersten waren groß wie Hühnereier.
»Wenn es weiße wären, würden wir für den das Fünffach bekommen!«, meinte Antoine, der aber keineswegs traurig über diesen Umstand zu sein schien.
Julius trug den Korb mit den Trüffeln so stolz vor sich her, als wäre er es gewesen, der sie errochen und mit den Pfoten freigelegt hätte.
»Es gibt nur zwei Arten von Menschen, die Trüffel essen, Antoine. Solche, die glauben, Trüffel seien so gut, weil sie so teuer sind, und solche, die wissen, dass sie so teuer sind, weil sie so gut sind.«
Antoine lachte und gab Rouen noch einen Hundekuchen. »Wir haben heute großen Glück gehabt. Den meisten Trüffel lagen nicht tiefer als zehn Zentimeter unter der Erde. Manchmal muss man viel tiefer buddeln. Manchmal braucht man viel, viel Zeit. Aber so etwas Wertvolles braucht ja auch Zeit zum Wachsen.« Antoine kam ins Schwärmen. »Wertvoll wie Gold sind die, ach was red ich da, das sind den Diamanten der Küche.«
»Die sind am leckersten, wenn sie frisch sind«, sagte Julius und schnitt sich noch eine Scheibe ab. Für ungefähr fünf Euro. Einkaufspreis.
»Du solltest nicht so viel von den essen!«
»Bezahl ich dir doch alles, keine Angst.«
»Darum geht es nicht. Darf ich eh nicht verkaufen, sondern nur für Lehrzwecke verwenden. Aber schon Alexandre Dumas hat gewusst, dass Trüffeln die stärkste natürliche Aphrodisiakum sind.«
»Oh.«
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