Julius Eichendorff 02 - Nomen est Omen - Eifel Krimi
Zeit.
» Julius ! Mach keinen Blödsinn! Warte auf uns!«
Der Hörer landete auf der Gabel. Er musste los, Gefahr hin oder her. Ein Satz kam ihm in den Sinn, der zu jedem Fernsehkrimi gehörte wie die Uhr zur Tagesschau: »Ich hab kein gutes Gefühl bei der Sache.«
Er nahm den Wagen, um zu Rolf Sonner zu kommen. Wollte den Wagen nehmen. Er sprang nicht an. Die Batterie war durch die lange Kälteperiode leer. Es half nichts. Julius musste rennen. Mittlerweile war es dunkel geworden. Mit dem Auto war es nur ein Sprung, mit den Füßen eine Strecke. Und er war nie gut auf der langen Distanz gewesen. Er, der typische Kurzstreckler – redete Julius sich gern ein. Eigentlich war er der typische Torhüter. Der Dickste stand immer zwischen den Pfosten. Jetzt brachte er seinen Körper langsam, aber immer schneller werdend, wie eine Schwerlastrakete beim Abheben, in Bewegung, auf die Massenträgheit hoffend. Wenn er einmal lief, dann lief er, besonders bergab. Die Topographie Heppingens war leider gegen ihn.
Er war erst wenige Schritte gelaufen, die Luft ging ihm bereits aus, als sich ein West-Highland-Terrier von seinem Herrchen losriss und das große Stück Fleisch zu verfolgen begann, das gerade vorbeigelaufen war. Da es vor ihm, dem Jagdhund, floh, musste es Beute sein. Sonst hätte das dicke Tier ja stehen bleiben können. Er musste es zu Fall bringen, bevor er das Genick durchbeißen konnte. An der Beute war viel dran, da würde er lange was von haben! Den Rest von dem Brocken würde er im eisigen Boden verscharren für magere Zeiten. Der schlappohrige Gott der Hunde meinte es gut mit ihm.
Julius versuchte, den richtigen Weg einzuschlagen und nicht auf krustig gefrorenem Eis auszurutschen. Das Bellen hinter ihm wurde lauter, das helle Fiepen der Pfeife, die der Besitzer herausgeholt haben musste, um seinen lieben Kleinen zurückzuordern, leider immer leiser.
Wäre der Verfolger ein Hund mit ordentlich proportionierten Läufen gewesen, Julius hätte längst ein paar Zähne in den Waden gespürt. Der kleine weiße Terrier aber, immer wieder gern genommen für Whisky- und Hundefutterwerbung, was immer diese Kombination bedeuten mochte, rannte sich zwar die Seele aus dem extrem aufgeregten Leib, konnte die Distanz zu Julius aber nicht merklich verringern. Er hatte, wie Julius, viel auf einmal zu tun. Rennen natürlich, dabei aber auch bedrohlich bellen, um das Opfer einzuschüchtern. Dies kollidierte mit seiner dritten Aufgabe: atmen. Die vierte ließ ihn dies zum Glück nicht bemerken. Die hieß: Vorfreude auf das dicke Stück Fleisch.
Julius kam nun gut voran.
Er lief auf einer Straße, die vorbildlich gestreut war. Das war gut. Schlecht war, dass der kleine Hund mit seinem irren Gebell, das in einer Lautstärke erklang, die man dem kleinen Räuber gar nicht zugetraut hätte, die Nachbarschaft vor die Tür lockte. Die sah dann einen großen, schwitzenden Koch in voller Montur, gefolgt von einem kleinen, harmlosen Hund. Einige Zeit später kam dann noch der Hundebesitzer vorbei, etwas von »Verdammte Misttöle!« brüllend.
Es war fast wie Karneval.
Nur dass keiner Kamelle schmiss.
Julius hatte vorgehabt, ein gutes Stück vor Sonners Haus abzustoppen, sich leise anzuschleichen und die Lage zu sondieren.
Das konnte er vergessen.
Die Rennwurst hinter ihm hatte immer noch nicht aufgegeben, und Sonners Haus kam bereits in Sichtweite. Es war unbeleuchtet. Eigentlich hätte es ganz friedlich aussehen können, mit Schnee auf dem Giebeldach und der kleinen Nordmanntanne im Vorgarten, in der noch eine weihnachtliche Lichterkette hing. Aber in diesem Moment wirkte es unheimlich. Tot.
Das Bellen hinter ihm wurde lauter.
Julius musste, ohne es zu merken, langsamer geworden sein.
Er drehte sich um, kontrollierend, wie nah sein Verfolger war und wie spitz dessen Zähne aussahen.
Er begann zu schliddern.
Auf der Straße hatte sich eine riesige Pfütze gebildet, eher ein kleiner See, der komplett gefroren und von Kindern, die diese Chance zum Rutschen genutzt hatten, mit ihren Schuhen glatt poliert worden war. Nicht nur der Mond spiegelte sich darin. Julius konnte sogar einzelne Sterne erkennen, als er nun panisch nach unten blickte.
Ganz ruhig!
Er ruderte mit den Armen, streckte ein Bein nach vorn, um das Gleichgewicht zu halten, wuchtete dann den Oberkörper nach hinten, aus demselben Grund.
Das Bellen hinter ihm verklang.
Julius war klug genug, nicht nach hinten zu schauen, obwohl ihm dadurch etwas entging.
Der
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