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Julius Eichendorff 02 - Nomen est Omen - Eifel Krimi

Julius Eichendorff 02 - Nomen est Omen - Eifel Krimi

Titel: Julius Eichendorff 02 - Nomen est Omen - Eifel Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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kleine West-Highland-Terrier machte erste Erfahrungen mit einer Rutschbahn. Er entschied sich für die unkonventionelle Bauchtechnik, streckte alle viere von sich und flutschte über den gefrorenen Pfützensee. Hunde haben nicht viele mimische Ausdrucksmöglichkeiten. Dieser Hund aber sah überrascht aus.
    Julius hatte mittlerweile das Ende der Pfütze erreicht und machte sich darauf gefasst, abrupt zu stoppen. Er rannte sofort weiter.
    Hinter ihm fing es wieder an zu kläffen.
    Julius war nur noch zwei Häuser von Sonners Anwesen entfernt.
    Etwas bewegte sich im Dunkeln vor der Eingangstür.
    Julius konnte es nur indirekt sehen. Die Haustür war aus glatt poliertem Holz und spiegelte das wenige Licht der Straße, doch war nicht der komplette Eingang zu sehen, nur die rechte Hälfte, die linke war zum Teil verdeckt von etwas Schwarzem. Es schwankte. Natürlich konnte es auch ein Busch sein.
    Natürlich.
    Julius vergaß für einen Augenblick die marginale Gefahr in Form des kleinen, bissigen Hundes hinter sich und die große in Form des Unbekannten an der Tür. Gefühle kamen in ihm hoch. Sie stammten aus der Kindheit. Es war die Dunkelheit, die ihm einen Schauer über den vom Rennen verschwitzten Rücken laufen ließ. Der Mensch am Eingang war nicht mehr als das Fehlen von Farben, er war Dunkelheit. Angst. Sie kam ganz plötzlich. Nicht Furcht. Angst. Eine Erinnerung, die Julius an seine Kindheit hatte, war eine unangenehme. Er war in den Keller des Elternhauses gegangen, um dort Detektiv zu spielen, das Licht blieb aus, als er mit Taschenlampe und der Leselupe seines Vaters die Treppe hinuntergestiegen war. Unten angekommen hatte er den alten Kohlekeller durchforscht, die Waschküche, bis die Batterien ihren Geist aufgaben und er im Dunkeln zurückmusste. Er fand die Kellertür verschlossen. Seine Mutter hatte angenommen, niemand sei im Keller, und wie immer das Schloss verriegelt, bevor sie das Haus zum Einkaufen verlassen hatte. Julius, so hatte sie gedacht, wäre irgendwo im Dorf spielen. Dieser aber schrie nun und heulte, kauerte sich dann zusammen, der Dunkelheit so wenig Angriffsfläche bietend wie möglich, das spärliche, trübe Licht, das unter dem Türspalt hindurchkroch, wie Wasser aufsaugend. Es dauerte lange, bis die Mutter zurückkam, sie hatte Bekannte getroffen, geschwatzt, war noch kurz zum Friedhof gefahren, um zu schauen, ob mit den Gräbern der Angehörigen alles in Ordnung war. Als sie schließlich wiederkam und die Tür geräuschvoll hinter ihr ins Schloss fiel, weil sie die Hände voll mit Tüten hatte, hörte sie Schreie. Viele Jahre war dies her, Jahrzehnte, und Julius hatte die Angst vor der Dunkelheit abgelegt.
    Jetzt war sie wieder da.
    Alles Schreien würde ihm nichts nützen.
    Julius rannte gegen sie an. Rannte gegen die verschlossene Kellertür von damals. Er wurde schneller.
    Der Schatten bewegte sich.
    Julius rannte weiter.
    Der Schatten drehte sich um.
    Julius sprang auf den Bürgersteig.
    Der Schatten blickte ihn an.
    Julius lief schnurstracks auf ihn zu. Noch wenige Meter …
    Der Schatten rannte davon.
    Julius erkannte, dass er dunkle Kleidung trug, schwarze Schuhe, schwarze Hose, einen schwarzen Pullover und eine schwarze Skihaube, die das Gesicht verdeckte. Der Schatten lief hinter das Haus.
    Julius rannte weiter Richtung Haustür. Er stoppte nicht, er warf sich dagegen, warf sich mit seinem beschleunigten Gewicht, mit Wut und Angst dagegen, und der hölzerne Rahmen barst. Es schmerzte in der Schulter, der Arm wie taub. Das Haus war dunkel, Julius rannte weiter, einfach geradeaus, durch eine weitere Tür, die offen stand, in einen großen Raum. Er schaltete das Licht an. Hinter Julius bellte es.
    Das Wohnzimmer. Die Wände voll mit moderner Kunst. Radierungen, Skizzen, ein, zwei Gemälde, die Polstergarnitur so designt, dass sich vermutlich kein Gast traute, darauf Platz zu nehmen. Zwei Vitrinen nahe der großen Fensterfront enthielten Bleikristall-Karaffen. Der Boden war teuerstes Parkett.
    Darauf lag Rolf Sonner.
    Die Augen glasig in Richtung Decke blickend. Ein Messer steckte in seiner Brust. Das Blut war noch nicht trocken.
    Etwas bewegte sich. Julius konnte es durch die Panoramascheiben sehen, die vom Fußboden bis zur Decke gingen und eine komplette Wand des Raumes ersetzten. Ein Schatten. Mit zwei Augen. Er hatte ihn beobachtet. Jetzt verschwand er wieder. Julius rannte zu den Fenstern, fand einen Türgriff und trat auf die Veranda.
    Er konnte Schritte hören.
    Laufen.

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